Georgien Teil 3

GORI & MZCHETA – Regentage
Wie immer fällt das Schicksal lachend vom Stuhl, sobald man seine Pläne gemacht hat...denn aus unserem Plan, nach Kazbek / Arsha zu fahren, um zu klettern, wurde selbstverständlich nichts. Der Regen und der Wind setzten bereits in Chiatura über Nacht so heftig ein, dass uns schon klar war, dass selbst vor Ort in den Überhängen am nächsten Tag nichts Trockenes zu klettern sein würde. Und die Gespräche mit Einheimischen bestätigten uns die Annahme, dass es etwas zu frisch in Arsha werden könnte...am Kazbegi hatte es bereits geschneit!
Da Regentage auch immer irgendwie Museumstage sind, konnte ich Valentin überreden, nach Gori zu fahren. Die Geburtstadt Stalins, und das ihm gewidmete Museum, weckten die Neugierde darauf, wie Geschichte ausgelegt werden kann.


Leider erreichten wir den Ort erst am sehr späten Nachmittag, sodass wir nur mit viel Glück noch einer englischsprachigen Führung hinterher sprinten konnten...der letzten für diesen Tag. Die junge Dame trug in gelangweilter Erwartung auf den Feierabend und in einem monotonen Rhythmus die Auswendig gelernten Daten vor, alle bestaunten Gemälde, Dokumente die Stalin unterzeichnet hatte und Geschenke der unterschiedlichsten Nationen zu seinem 70. Geburtstag. 

Leider war in dem Museum alles in Buchstaben des russischen oder des georgischen Alphabets dokumentiert, sodass einem wenig Chance blieb, sich mit den ausgestellten Objekte genauer zu befassen. Als wir an seiner Totenmaske vorbei in einen Saal schritten, indem persönliche Gegenstände in Vitrinen dargeboten wurden, stellte ein Besucher einer Frage zu dem dort befindlichen Schachbrett...“Was Stalin a good chess player?“ Ich musste heimlich schmunzeln, war das eine rethorische Frage? Hatte die Dame von höchstens 30 Jahren etwa schon eine Partie Schach mit ihm gespielt? Ihr Gesichtsausdruck hellte zum ersten Mal auf...“OF COURSE! He was a great chess player!“...mein Schmunzeln verwandelte sich in Grinsen...“OF COURSE!“ dachte ich, „und wenn nicht, hätte sich sicherlich niemand getraut ihm zu sagen, dass er stümperhaft die Figuren über das Brett zog, weil er oder sie die Konsequenzen fürchtete!“ Aber wer mag das schon zu beurteilen...nach so langer Zeit?! 
 
Nachdem wir noch im Regen durch den Zugwagon von ihm schlenderten und sein „Geburtshaus“ im Museumshof bestaunten, schlossen die Pforten und wir waren uns einig...irgendwo zwischen dem, was wir gelernt haben und dem, was hier in Gori überliefert wird, liegt vielleicht die wahre Geschichte?!
Wir fuhren los Richtung Tiflis und bald brach die Dunkelheit ein. Unsere Suche nach LPG, um den Bus nochmal zu betanken, wurde zur Nadel im CNG-Heuhaufen und so beschlossen wir, uns einen Schlafplatz zu suchen.
Es tat sich zu unserer Linken eine große Ruine auf einem Hügel auf, unsere Offline Navigation verriet uns, dass eine Straße zu einem ruhigen Platz unterhalb führt und so fanden wir bald in den Schlaf. 

Am nächsten Morgen erst erkannten wir, von was wir umgeben waren...ein altes Amphitheater umschloss den Bus und noch bevor der Kaffee gekocht und das Müsli gefrühstückt war machten wir Bekanntschaft mit einem netten älteren Paar, welches mit ihrem VW Camper unterwegs war und sich in der Nacht noch zu uns gesellt hatten.Ich kann mir nicht helfen, bei so viel Muttersprache in all den bereisten Ländern kommt mir immer wieder ein Lied von Marc-Uwe Kling in den Kopf, über „deutsche Touristen“. Die beiden jedenfalls waren bereits auf ihrer Rückreise, gaben uns freundlicherweise ein paar Tipps zu Armenien und Valentin fachsimpelte mit Ihm ein wenig über unser Solarpaneel und die Anschlussmöglichkeit. Eine wirklich nette Begegnung, aber das sind solche, mit denen man nicht rechnet ja meist. Wir schlenderten, nachdem wir uns verabschiedet und gefrühstückt hatten, noch über die verlassenen Anlage, begutachteten einstürzende Ställe und entdeckten unter einer der runden Steinbühnen(?) eine Schreinerwerkstatt. Die Männer bauten hier Möbel erklärten sie uns. Der Himmel blieb auch nach unserer Schlenderei weiter Grau und so fuhren wir los...gen Tiflis.


TIFLIS – Schnitzeljagd und Touristenviertel

Auf der bereits oben genannten Homepage für Klettern in Georgien (siehe Beitrag CHIATURA) fanden wir Informationen über Möglichkeiten zum Indoorklettern. Wir fuhren die erst vor zwei Jahren eröffnete Kletterhalle in einem Sportkomplex an. Die Wand erschien auf den Fotos online etwas größer als sie Tatsächlich ist, die Griffe und Wände sind für den Zeitraum erstaunlich speckig ABER die Routen an sich sind sehr schön geschraubt, die Jungs die dort arbeiten stehen gerne für Empfehlungen zur Verfügung und es gibt sogar noch einen kleinen Boulderbereich. Obwohl die limitierte Wandhöhe nicht gerade ausdauernde Routen zur Verfügung stellt, haben die Jungs es dennoch gut raus, knackiges zu Schrauben und technisch anspruchsvolle Züge auf den wenigen Metern zu etablieren. Für lediglich 10 Lari Eintritt stimmt das Preis Leistungsverhältnis also allemal und wir kamen trotz Regenwolken zu unserer Kraxelei.


Die ebenfalls auf der Homepage beworbene Boulderhalle vom georgischen Alp Club ist derzeit leider geschlossen, unser Versuch am nächsten Tag bouldern zu gehen, endete leider vor verschlossener Tür.
So verbrachten wir Tag 2 in Tiflis wie viele andere Touristen und liefen von Straße zu Straße und Gasse zu Gasse bis hinunter zum Fluss und das beliebte „Kala“ Viertel. Tiflis ist voll von alten Prunkbauten, welche leider viel zu häufig durch Stahlträger abgestützt werden, um sie trotz grobschlächtiger Risse und Schieflage vor dem Einsturz zu bewahren. 



Nicht so im Kala Viertel...zumindest nicht in dessen Zentrum. Hier scheinen große Investoren am Werk gewesen zu sein, denn die alten Häuschen sind aufwendig restauriert und zu unzähligen Bars, Hostels und Souvenirshops umgebaut worden. 



Bevor wir das Viertel erreichten, machten wir noch Stopp an einer der Metrostationen. Hier türmen Manche alte Bücher auf, um sich ein paar Lari zu verdienen und auch wir wurden dort fündig; ein Deutsch-Russisches Wörterbuch, um sich ein paar Vokabeln zur besseren Verständigung aneignen zu können und ein paar nostalgische Postkarten mit Gelbstich und für uns unleserlichen Buchstaben, wechselten den Besitzer. 



Re-use, reduce, recycle...irgendwie bringt das Credo überall auf der Welt Freude. So auch hier. Wir schlendern noch bis in die Dämmerung hinein...dann nehmen wir die Schnitzeljagd nach LPG erneut auf.
Ja das tanken mit Gas ist so eine Sache in Georgien...hier gibt es unheimlich viele CNG Tankstellen und wir sind manchmal nicht entschlossen genug, wenn wir eine LPG Tankstelle sehen unseren dann doch irgendwie immer noch halbvollen Tank neu zu befüllen...“In der nächsten Stadt wird sich schon was finden“ und wenn es dann soweit ist und die Anzeige weniger Lämpchen leuchten lässt, lässt sich plötzlich so gar keine LPG-Möglichkeit mehr finden. Klassischer Fall von Murphies Law? Jedenfalls verbringen wir in Tiflis die gesamten Tage zwischen unseren Aktivitäten damit, Tankstellen anzufahren, den Tankwarten unsere Navigation unter die Nase zu halten und mit „Autogas, Propan / Butan“ nach LPG zu fragen. Es wird mit den Achseln gezuckt oder einfach die Straße hinunter gewiesen...die Suche führt dazu, dass wir an einem Abend komplett quer durch Tiflis fahren...einen Berg hinauf, irgendwo im nirgendwo und auf einem großen Parkplatz nächtigen wollen. Der Parkplatz schien zu einer Militärkaserne zu gehören, schnell steht ein uniformierter junger Mann am Fahrzeug, will uns wohl sagen, dass wir hier nicht stehen wollen aber ohne Englischkenntnisse auf seiner Seite und Russischkenntnisse auf unserer Seite wird das schwer. Er faselt was von Handy und Google und verschwindet...als er nach einer halben Stunde immer noch nicht zurück ist beginnen wir zu kochen, essen und legen uns schlafen...bis 6:30 Uhr. Dann klopft es...mit Händen und Füßen lässt er uns wissen, dass wir nun fahren müssen...wir spekulieren, dass ein Schichtwechsel ansteht, parken ein paar Meter weiter zwischen Baumschulen und muckeln uns nochmal in die Federn.
Wer eine LPG Tankstelle in Tiflis sucht findet sie hier: 41°43`33.12“N,44°46`48.17“E
Bei 1 Lari/Liter (ca. 35 Cent) lohnt sich auch so mancher Umweg!


POKA – Wir am Parawanisee...send from God!
Wir machen uns auf nach Poka. Ebenfalls eine Empfehlung von Freunden, da es dort ein Kloster geben soll, in dem man als Käseliebhaber auf seine Kosten kommt...für Valentin steht von Anbeginn fest „Da muss ich hin!“. Unser Roter müht sich die steilen Serpentinen hoch und fährt Slalom um die teilweise sehr tiefen und großen Schlaglöcher herum. 


Doch die Landschaft entschädigt, wir haben Kilometerweit nur Sicht auf Berge, Ziegen- Schaf- und Kuhherden, welche frei über das Land ziehen, riesige Greifvögel die ihre Schwingen in der immer dünner werdenden Luft spreizen und ein atemberaubendes Licht- Schattenspiel, welches die Wolken auf die hügelige grün rötliche Landschaft zaubern. 



Wir kommen am Parawanisee an, auf 2100 m.ü.M. und versuchen einen Platz nah am See zu erhaschen. Die Abzweigung, die uns auf dem Navi angezeigt wird führt geradewegs zu einem kleinen Kloster am See. 




Wir werden freundlich empfangen, natürlich können wir am See stehen, ob wir einen Tee oder Kaffee möchten. Plötzlich sitzen wir drinnen beim Priester, haben einen Teller Reis mit Rosinen vor uns, bekommen einen grünen Tee kredenzt und stellen erstaunt fest, dass der Priester ein paar Brocken deutsch spricht. Er habe in Deutschland studiert, die Sinnsuche habe ihn allerdings schon mit 20 zum orthodoxen Glauben gebracht und nun lebt er hier, mit drei Mönchen und 7 anderen am See. Die Antwort auf die Frage, ob wir katholisch oder lutheranisch sind, nimmt er mit Gelassenheit hin. „Philosophie!“ lautet diese und er verkündet erfreut bei der Haushälterin die ein bisschen Englisch spricht, dass wir keine Atheisten sind, sondern nur noch nicht gefunden haben...aber suchen! Und wer sucht wird gefunden von Gott. Er strahlt. Was unsere Profession ist. Als ich ihm erkläre, was mein Tätigkeitsfeld als Heilpädagogin umfasst, freut er sich erneut...“Gott hat dich gesandt! Alle die Gutes tun, sind von Gott gesandt!“ Ich bedanke mich höflich und nehme es einfach als Kompliment entgegen. Valentin und der Priester stellen schnell fest, dass sie etwas sehr ähnliches studiert haben...die Begeisterung für unseren Roten steht dem bärtigen Mann auch deutlich ins Gesicht geschrieben. Am Abend läutet die Glocke, es ist Essenszeit. Wir räumen noch unser Geschirr ab, bedanken und verabschieden uns. 

Morgen geht es zu den Nonnen...Käse naschen!
Der Morgen startet nass und erstaunlich kalt...das Himmelswasser, dass in rauen Mengen den Weg Richtung Erde findet ist eiskalt. Nach dem Frühstück besuchen wir unseren Priester, um Abschied zu nehmen und noch einen Kaffee mit ihm zu trinken. Wir unterhalten uns über die Unterschiede von Orthodoxen und anderen Christen und, dass das eh alles egal ist, weil unsere Herzen alle gleich schlagen. Recht hat er da! Er lädt uns ein, noch etwas zu bleiben, zum Abendessen oder wie lange auch immer aber für uns muss es weiter gehen, es wird empfindlich kalt und auf den Gipfeln der Berge in der Ferne sieht man bereits den Schnee zwischen den Regenwolken und dem Nebel.
Wir fahren nach Poka hinein. Es schüttet in Strömen und da uns der Priester erklärt hatte, dass die Nonnen nach europäischem Vorbild Käse produzieren und ihn sehr sehr teuer für Touristen verkaufen, gehen wir in einen kleinen Laden im Dorf, um das Nötigste zu besorgen. Käse liegt dort leider keiner aus...wir fragen nach und der Shopbesitzer beginnt zu strahlen und weißt uns, ihm zu folgen. Wir laufen bis zu seiner Garage...als wir sie betreten riecht es schon verdächtig nach dem begehrten Produkt und hinter zwei Fahrzeugen steht ein großes Becken in dem riesige Laiber Käse schwimmen. Er fischt mit einem Messer nach einem kleineren Stück, lässt uns probieren und wir nicken. Doch noch zu leckerem Käse gekommen, gilt es nur noch die Wasserkanister am Wegrand zu befüllen, schon nach kurzer Zeit werden die Finger rot und schmerzen vor Kälte. 


Dann brechen wir auf, in das nur noch 50 km entfernte Armenien, wo wir noch am selben Tag einreisen.


Kommentare

  1. Supergeil wieder, euer Bericht! Und die Investition ins neue Kameraequipment hat sich gelohnt, wunderschöne Bilder. :-)

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    1. Ja, wir sind auch immer wieder geflasht, was für Bilder so entstehen...zumal wir sie null bearbeiten und sie tatsächlich zeigen, was unsere Augen auch wahrnehmen durften.

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  2. Oh ja, da kann ich mich nur anschließen. Es macht große Freude, euch vom ersten Tag an begleiten zu können. Hier ist es auch kalt. Ich esse aber dennoch ein Eis, ein Magnum, genaugenommen. Ihr wisst wieso:). Der Froster ist noch voll. Alles Liebe!

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    1. Hahaha, ja wir wissen wieso :D dann lasst es euch mal weiterhin schmecken!

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