Iran 5

BANDAR ABBAS – spannende Strukturen...


Wir legen morgens gegen 8 Uhr im Hafen von Bandar Abbas an, nachdem wir die Nacht von den Klimaanlagen tiefgefroren wurden, die Wellen uns ordentlich durchgeschaukelt und die diesmal sehr ausgelasteten Passagierräume einem kaum die Chance auf Schlaf ermöglicht haben.
Gemeinsam mit uns waren außerdem noch zwei Briten mit historischen Fahrzeug auf dem Schiff. Die beiden älteren Herren führen uns bei der Einreise deutlich vor Augen, wie groß die Unterschiede sein können, wenn auf dem kleinen Büchlein, welches die Nationalität verraten soll, das falsche Land steht.
Wir weichen erst einmal nicht von ihrer Seite, bis ihre Pässe gescannt sind.
Danach beginnt der Papierkrieg, den wir die letzten Monate erfolgreich verdrängt hatten. Schnell sind wir umringt von den im Hafen befindlichen Schleppern, die einem für nicht unerhebliche Summen alle administrativen Aufgaben abnehmen möchten. Aber wir wollen das Geld gerne sparen und lehnen ab.
Der Hafen in Bandar Abbas und die zugehörige Agentur für die Fähre hat eine Monopolstellung. Auch die Tatsache, dass man sein Auto aus dem Hafen haben möchte, erzeugt (ein vor Ort durchaus bewusstes) Machtgefällen. Die Offiziellen von den Hafenbehörden arbeiten sehr offensichtlich mit den Schleppern zusammen, Absprachen werden getroffen und der Beamte, der uns das erste Formular aushändigt ist sichtlich irritiert, als wir ihm erläutern, dass wir alles selbst machen möchten.
Die ersten Stunden laufen wir also geduldig von Schalter zu Schalter, sammeln Stempel und Unterschriften und fertigen eine vollkommen abstruse Anzahl an Kopien von Pässen, Visa und dem Carnet de Passage an. Bis der eine ominöse Stempel fehlt...von dem uns erstaunlicherweise niemand sagen kann, in welchem Gebäude wir diesen erhalten. Die Offiziellen zucken mit den Schultern, verstehen natürlich plötzlich nochmal sehr viel weniger Englisch als vor 5 Minuten und nach einer schlaflosen Nacht und einigen zu Fuß zurück gelegten Metern auf dem Hafengelände bleibt einem nur noch tief durchzuatmen. Da wundert es einen wenig, wenn just in diesem Moment einer der Schlepper erneut seine Hilfe anbietet...welch Zufall! Wir sind genervt und kommen ohne die unliebsamen Männer nicht weiter, zähneknirschend willigen wir also in die Alternativlosigkeit ein. Zum Schluss geben wir uns noch eine hitzige Debatte über den Preis, drücken diesen noch um ein Drittel und verlassen kurz nach 15 Uhr ENDLICH den Hafen. Schnell werden noch die ersten Dollar in Rial/Toman getauscht, frisches dampfendes Brot gekauft und dann ziehen wir uns erschöpft in den Roten zurück.


Schon am nächsten Tag wollen wir die Fahrt nach Shiraz antreten und erfreuen uns über den ersten richtigen Regen seit Monaten auf dem Weg dort hin :)



SHIRAZ - Alles verpasste wird nachgeholt.


Bei unserem letzten Mal im Iran mussten wir Shiraz leider aufgeben, da wir mit einem zermahlenen Radlager am Straßenrand standen und heil froh waren, als wir auf der Ladefläche eines Mack bis nach Bandar Abbas zum Hafen fahren konnten. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben und so soll die Stadt der Poeten nahe Persepolis unser erstes Ziel im Iran sein.
Wir fahren einen bewachten Parkplatz nahe der Innenstadt an. Direkt an einem Park gelegen haben wir so mal wieder Zugang zu Wasser und Toiletten und können täglich ein paar Meter mit dem Rad zurücklegen.


Je nach Region ist das Fahren auf dem Rad ein kleines Abenteuer, denn manchmal braucht man als Frau ein dickes Fell für die wütenden Blicke, die einem mitunter zugeworfen werden. Nicht so in der offenen Stadt Shiraz! Das Gegenteil ist der Fall und die Menschen lachen, strecken mir den erhobenen Daumen entgegegen und freuen sich. „Welcome to Iran / Welcome to Shiraz!“ hören wir wieder in allen Straßen und wir sind ganz beseelt, die Hitze und Aktivitätsarmut der arabische Halbinsel hinter uns gelassen zu haben und wieder die absolute Einzigartigkeit des Irans zu erfahren!
Alle Bäume sind grün, auch hier ist der Frühling ausgebrochen und wir schlendern ein wenig umher. In einem Seitenarm des Bazar finden wir dann auch einen Sattler, dem ich meine in Abu Dhabi gerissene Ledersandale ratlos entgegenstrecke. Nach wenigen Minuten erweckt er die vor 9 Jahren auf Kreta erstandene Fußbekleidung zu neuem Leben...mögen sie mich nochmal so lange begleiten!






Nachdem wir am Morgen ein bisschen „Office“ gemacht haben, um unsere Auslandskrankenversicherung zu verlängern, besuchen wir die 1773 erbaute Vakil Moschee im Zentrum von Shiraz, bummeln über den Bazar, lassen für umgerechnet 8 Euro eine Schutzabdeckung aus LKW Plane für unser Ersatzrad maß anfertigen und führen mit diversen Personen anregende Gespräche zur derzeitigen politischen Lage des Landes und, wie könnte es anders sein, Donald Trump darf thematisch auch nicht fehlen! 














 
Am nächsten Tag klingelt der Wecker sehr früh...auf Empfehlung eines Iraners, den wir am Vortag getroffen hatten, machen wir uns auf zur Nasir-al-Molk Moschee, die auch „Pink Mosque“ genannt wird. In den Morgenstunden ab 8 Uhr verzaubert der Gebetsraum mit einem besonderen Licht, wenn die ersten Sonnenstrahlen den Weg durch die bunten Mosaikfenster finden. Die kunstvoll verzierten Fließen, die die Wände und Kuppeln des Gebäudes zieren sind übersät von rosa Blumen, wodurch sie sich von den sonst in Grün- und Blautönen gehaltenen Moscheen abhebt. Für Menschen, die Freude am Fotografieren haben ist die Nasir-al-Molk jedenfalls ein Fest.













In dem dazugehörigen Museum kann man den, für den Iran typischen, Miniaturisten dabei zusehen, wie sie Kamelknochen oder sogar Federn mit ihren kleinen bunten und detailverliebten Bildern verzieren.
Da der Tag gerade erst in Gang kommt, als wir aus dem bunten Farbenspiel treten, legen wir direkt noch ein paar Kilometer zurück, um uns die Zeugnisse persischer Hochkultur anzusehen...es geht auf nach Persepolis.




PERSEPOLIS – paradiesische Zustände für den Steinbeißer


Wir sind überglücklich, dass der heutige Tag von einer Wolkendecke geprägt wird, als wir die Stufen zu der einstigen Perserstadt hinaufschreiten...denn Xerxes, Darius und Co. haben bei der Errichtung nicht an Sonnensegel gedacht.
Nicht einmal die ehemalige Zeltstadt, die der Schah 1971 für Staatsoberhäupter aller Welt, anlässlig der 2500 Jahrfeier hat errichten lassen, spendet Schatten...die Zeltgerippe stehen unzugänglich hinter Bauzäunen und versprühen einen Endzeitcharme. Von dem in nur wenigen Tagen verprassten Geld, welches dem Haushalt der Schweiz für Zwei Jahre entsprach, merkt man angesichts der verbliebenen Metallgestänge wenig. 







 
Auch das restliche Areal versetzt uns in Staunen...was damals eine prunkvolle Residenzstadt darstellte, wäre in seinem Grundriss heutzutage wohl ein kleines Dorf. Die Dimensionen, in denen gegenwärtig Städte angelegt werden sind eindeutig andere. Dennoch kann man so einige Stunden auf dem Gelände zubringen, sich die Felsengräber (zumindest von außen) ansehen, die imposanten Überreste der Eingangspforten bestaunen und in Stein gemeißelten Männern beim Händchenhalten zusehen. 











Unser Fazit des Tages: Ein durchaus sehenswerter Ort aber unseren Kletterinteressen werden die Steine nicht gerecht ;P




YAZD – Essen hui, Schrauben pfui!

Wir fahren weiter nach Yazd, um dort nochmal im, zum zweiten Zuhause gewordenenen, Silk Road Hotel ein Frühstück zu genießen. Aber auch um auf der Dachterrasse des Orient Hotel lecker persisch zu Essen und natürlich, um Janus & Ursel (asienreisende.de) und Cristian & Audrey mit ihren beiden Kindern (iranisgreat.com) nochmal zu treffen. Das Silk Road Hotel in Yazd ist der ultimative Overlander Treffpunkt...dort steht eigentlich immer irgendein_e Reisende_r.
Wer kann zu dem Zeitpunkt schon ahnen, dass die geplanten, entspannten Tage zwischen Lehmmauern mal wieder eine Talfahrt der Gefühle wird?
Als wir den Roten auf dem Parkplatz abstellen „verschluckt“ er sich kurz...egal, denken wir, da steht ein vollkommen vollgeschlammter Mercedes G mit Frankfurter Kennzeichen. Ein Fehler, den wir nicht wahrnehmen, sondern erst mal eine Runde Schnacken.
Als Valentin Routiniemäßig am nächsten Tag den Benzinfilter tauscht und danach den Motor starten will, um Benzin in die neuen Leitungen zu Pumpen, röchelt unser Motor asthmatisch. Ohne euch die Details zu allen unternommenen Schritten zu nennen sei gesagt: nach einem Tag basteln und einer schlaflosen Nacht entdecken wir am nächsten Schraubertag den defekten Zündfinger und die in Mitleidenschaft gezogenen Verteilerkappe. Die ist bei unserem Roten so schwer zugänglich, dass das einem Fiasko gleicht...dennoch führen wir mal wieder ein Freudentänzchen auf, weil wir ein kaputtes Teil gefunden haben. Wer die Ursache kennt kann diese leicht beheben? Weit gefehlt...wir tüfteln bis in die Dunkelheit, von Zeit zu Zeit stopfe ich einen Schokoriegel in Valentin und vergesse dabei, dass ich selbst nur gefrühstückt habe. Der Motor springt und springt nicht an. Eine weitere Nacht mit Grübelei aber dafür ohne Schlaf steht an. Sobald die Sonne aufgegangen ist steht Valentin wieder an der Motorhaube. Ein Glück, dass ihm Janus und Cristian beistehen und die Drei laut Denkend Ursachenforschung betreiben, während ich via Whatsapp den Telefonjoker Papa zu Rate ziehe, Videos schicke und der väterliche KFZ Meister gute Impulse gibt.
Ein niederländisches Pärchen (Emmy & Rob) gesellen sich hinzu. Auch Rob sieht sich angespornt des Rätsels Lösung zu präsentieren und so wird es Mittag, bis der Rote mit einer riesigen schwarzen Auspuffswolke anspringt. Nach drei Tagen Ahnungslosigkeit schnurrt er und Valentin und ich liegen uns erschöpft aber erleichtert in den Armen. 

 
Ja, das gehört zum Reisen dazu! Ja, man sollte das (vor allem, weil es nicht das erste Mal ist) gelassener nehmen können. Allerdings waren die Tage für uns einfach emotional vollkommen aufgeladen und das lag nicht nur am Schlafmangel oder dem Gedanken an den logistischen Aufwand, den wir betreiben müssten, sollte der Rote einen Motorschaden haben, sondern vor allem an dem Gedanken, unser Reisevorhaben ein zweites Mal aufgeben und nach Hause kehren zu müssen. Eine Panne in Deutschland bzw Europa ist leicht mit dem ADAC lösbar...eine Panne im Iran zwar schon scheiße aber im Notfall gibt es auch hier Werkstätten und Mechaniker und, wie wir in der Vergangenheit schon erfahren haben, lassen sich die 3,5 Tonnen rollendes Zuhause auch kurzerhand auf einen Laster oder alternativ auf einen Zug verladen.
Sollten wir uns allerdings in Zentralasien...auf dem Pamir Highway oder in der Mongolei...nicht auf den Roten verlassen können, könnten Tage vergehen, bis wir überhaupt mal einen Menschen antreffen. Der bloße Wille einen Plan umzusetzen ist dann manchmal nicht genug, die Vernunft muss auch noch eine abwägende Rolle spielen. Aber wir haben ja noch ein paar tausend Kilometer, um unser Vertrauensverhältnis zum Roten zu reflektieren. Wir möchten schließlich nicht unvorbereitet oder gar naiv beim Reisen sein, auch wenn wir zuversichtlich sind, dass man irgendwie überall Lösungen findet!
Denn: ja, auch das temporäre Hadern, Verunsicherungen von Zeit zu Zeit und kreative Lösungsfindungen sind Teil des Reisens!
Zum Abschied besuchen wir noch den Sahb-Zaman Club, ein traditioneller iranischer Sportclub, in dessen Gewölbe wahlweise riesige Holzkeulen oder Massive Eisenketten über dem Kopf geschwungen werden, während sich die Athleten immer wieder wie die Derwische um ihre eigene Achse drehen und rhythmische Trommelklänge mit Gesang ertönen. Ein wirklich lohnendes Spektakel! 










 
Nachdem wir am nächsten Morgen ein letztes Mal das Frühstücksbuffet des Silk Road Hotels für sagenhafte 100 000 Rial pro Nase in Anspruch nehmen, lassen wir Yazd etwas wehmütig hinter uns und fahren vorbei an duftenden Teeplantagen und einem großen Salzsee nach Esfahan...vielleicht ergibt sich dort endlich mal wieder die Möglichkeit zu klettern?



Ps: In Vorfreude auf unser Russlandvisum, lassen wir das Toilettenschild des Orient Hotels mal unkommentiert...

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