BANDAR
ABBAS – spannende Strukturen...
Wir
legen morgens gegen 8 Uhr im Hafen von Bandar Abbas an, nachdem wir
die Nacht von den Klimaanlagen tiefgefroren wurden, die Wellen uns
ordentlich durchgeschaukelt und die diesmal sehr ausgelasteten
Passagierräume einem kaum die Chance auf Schlaf ermöglicht haben.
Gemeinsam
mit uns waren außerdem noch zwei Briten mit historischen Fahrzeug
auf dem Schiff. Die beiden älteren Herren führen uns bei der
Einreise deutlich vor Augen, wie groß die Unterschiede sein können,
wenn auf dem kleinen Büchlein, welches die Nationalität verraten
soll, das falsche Land steht.
Wir
weichen erst einmal nicht von ihrer Seite, bis ihre Pässe gescannt
sind.
Danach
beginnt der Papierkrieg, den wir die letzten Monate erfolgreich
verdrängt hatten. Schnell sind wir umringt von den im Hafen
befindlichen Schleppern, die einem für nicht unerhebliche Summen
alle administrativen Aufgaben abnehmen möchten. Aber wir wollen das
Geld gerne sparen und lehnen ab.
Der
Hafen in Bandar Abbas und die zugehörige Agentur für die Fähre hat
eine Monopolstellung. Auch die Tatsache, dass man sein Auto aus dem
Hafen haben möchte, erzeugt (ein vor Ort durchaus bewusstes)
Machtgefällen. Die Offiziellen von den Hafenbehörden arbeiten sehr
offensichtlich mit den Schleppern zusammen, Absprachen werden
getroffen und der Beamte, der uns das erste Formular aushändigt ist
sichtlich irritiert, als wir ihm erläutern, dass wir alles selbst
machen möchten.
Die
ersten Stunden laufen wir also geduldig von Schalter zu Schalter,
sammeln Stempel und Unterschriften und fertigen eine vollkommen
abstruse Anzahl an Kopien von Pässen, Visa und dem Carnet de Passage
an. Bis der eine ominöse Stempel fehlt...von dem uns
erstaunlicherweise niemand sagen kann, in welchem Gebäude wir diesen
erhalten. Die Offiziellen zucken mit den Schultern, verstehen
natürlich plötzlich nochmal sehr viel weniger Englisch als vor 5
Minuten und nach einer schlaflosen Nacht und einigen zu Fuß zurück
gelegten Metern auf dem Hafengelände bleibt einem nur noch tief
durchzuatmen. Da wundert es einen wenig, wenn just in diesem Moment
einer der Schlepper erneut seine Hilfe anbietet...welch Zufall! Wir
sind genervt und kommen ohne die unliebsamen Männer nicht weiter,
zähneknirschend willigen wir also in die Alternativlosigkeit ein.
Zum Schluss geben wir uns noch eine hitzige Debatte über den Preis,
drücken diesen noch um ein Drittel und verlassen kurz nach 15 Uhr
ENDLICH den Hafen. Schnell werden noch die ersten Dollar in
Rial/Toman getauscht, frisches dampfendes Brot gekauft und dann
ziehen wir uns erschöpft in den Roten zurück.
Schon
am nächsten Tag wollen wir die Fahrt nach Shiraz antreten und
erfreuen uns über den ersten richtigen Regen seit Monaten auf dem
Weg dort hin :)
SHIRAZ
- Alles verpasste wird nachgeholt.
Bei
unserem letzten Mal im Iran mussten wir Shiraz leider aufgeben, da
wir mit einem zermahlenen Radlager am Straßenrand standen und heil
froh waren, als wir auf der Ladefläche eines Mack bis nach Bandar
Abbas zum Hafen fahren konnten. Doch aufgeschoben ist nicht
aufgehoben und so soll die Stadt der Poeten nahe Persepolis unser
erstes Ziel im Iran sein.
Wir
fahren einen bewachten Parkplatz nahe der Innenstadt an. Direkt an
einem Park gelegen haben wir so mal wieder Zugang zu Wasser und
Toiletten und können täglich ein paar Meter mit dem Rad
zurücklegen.
Je
nach Region ist das Fahren auf dem Rad ein kleines Abenteuer, denn
manchmal braucht man als Frau ein dickes Fell für die wütenden
Blicke, die einem mitunter zugeworfen werden. Nicht so in der offenen
Stadt Shiraz! Das Gegenteil ist der Fall und die Menschen lachen,
strecken mir den erhobenen Daumen entgegegen und freuen sich.
„Welcome to Iran / Welcome to Shiraz!“ hören wir wieder in allen
Straßen und wir sind ganz beseelt, die Hitze und Aktivitätsarmut
der arabische Halbinsel hinter uns gelassen zu haben und wieder die
absolute Einzigartigkeit des Irans zu erfahren!
Alle
Bäume sind grün, auch hier ist der Frühling ausgebrochen und wir
schlendern ein wenig umher. In einem Seitenarm des Bazar finden wir
dann auch einen Sattler, dem ich meine in Abu Dhabi gerissene
Ledersandale ratlos entgegenstrecke. Nach wenigen Minuten erweckt er
die vor 9 Jahren auf Kreta erstandene Fußbekleidung zu neuem
Leben...mögen sie mich nochmal so lange begleiten!
Nachdem
wir am Morgen ein bisschen „Office“ gemacht haben, um unsere
Auslandskrankenversicherung zu verlängern, besuchen wir die 1773
erbaute Vakil Moschee im Zentrum von Shiraz, bummeln über den Bazar,
lassen für umgerechnet 8 Euro eine Schutzabdeckung aus LKW Plane für
unser Ersatzrad maß anfertigen und führen mit diversen Personen
anregende Gespräche zur derzeitigen politischen Lage des Landes und,
wie könnte es anders sein, Donald Trump darf thematisch auch nicht
fehlen!
Am
nächsten Tag klingelt der Wecker sehr früh...auf Empfehlung eines
Iraners, den wir am Vortag getroffen hatten, machen wir uns auf zur
Nasir-al-Molk Moschee, die auch „Pink Mosque“ genannt wird. In
den Morgenstunden ab 8 Uhr verzaubert der Gebetsraum mit einem
besonderen Licht, wenn die ersten Sonnenstrahlen den Weg durch die
bunten Mosaikfenster finden. Die kunstvoll verzierten Fließen, die
die Wände und Kuppeln des Gebäudes zieren sind übersät von rosa
Blumen, wodurch sie sich von den sonst in Grün- und Blautönen
gehaltenen Moscheen abhebt. Für Menschen, die Freude am
Fotografieren haben ist die Nasir-al-Molk jedenfalls ein Fest.
In
dem dazugehörigen Museum kann man den, für den Iran typischen,
Miniaturisten dabei zusehen, wie sie Kamelknochen oder sogar Federn
mit ihren kleinen bunten und detailverliebten Bildern verzieren.
Da
der Tag gerade erst in Gang kommt, als wir aus dem bunten Farbenspiel
treten, legen wir direkt noch ein paar Kilometer zurück, um uns die
Zeugnisse persischer Hochkultur anzusehen...es geht auf nach
Persepolis.
PERSEPOLIS
– paradiesische Zustände für den Steinbeißer
Wir
sind überglücklich, dass der heutige Tag von einer Wolkendecke
geprägt wird, als wir die Stufen zu der einstigen Perserstadt
hinaufschreiten...denn Xerxes, Darius und Co. haben bei der
Errichtung nicht an Sonnensegel gedacht.
Nicht
einmal die ehemalige Zeltstadt, die der Schah 1971 für
Staatsoberhäupter aller Welt, anlässlig der 2500 Jahrfeier hat
errichten lassen, spendet Schatten...die Zeltgerippe stehen
unzugänglich hinter Bauzäunen und versprühen einen Endzeitcharme.
Von dem in nur wenigen Tagen verprassten Geld, welches dem Haushalt
der Schweiz für Zwei Jahre entsprach, merkt man angesichts der
verbliebenen Metallgestänge wenig.
Auch
das restliche Areal versetzt uns in Staunen...was damals eine
prunkvolle Residenzstadt darstellte, wäre in seinem Grundriss
heutzutage wohl ein kleines Dorf. Die Dimensionen, in denen
gegenwärtig Städte angelegt werden sind eindeutig andere. Dennoch
kann man so einige Stunden auf dem Gelände zubringen, sich die
Felsengräber (zumindest von außen) ansehen, die imposanten
Überreste der Eingangspforten bestaunen und in Stein gemeißelten
Männern beim Händchenhalten zusehen.
Unser
Fazit des Tages: Ein durchaus sehenswerter Ort aber unseren
Kletterinteressen werden die Steine nicht gerecht ;P
YAZD
– Essen hui, Schrauben pfui!
Wir
fahren weiter nach Yazd, um dort nochmal im, zum zweiten Zuhause
gewordenenen, Silk Road Hotel ein Frühstück zu genießen. Aber auch
um auf der Dachterrasse des Orient Hotel lecker persisch zu Essen und
natürlich, um Janus & Ursel (asienreisende.de) und Cristian &
Audrey mit ihren beiden Kindern (iranisgreat.com) nochmal zu treffen.
Das Silk Road Hotel in Yazd ist der ultimative Overlander
Treffpunkt...dort steht eigentlich immer irgendein_e Reisende_r.
Wer
kann zu dem Zeitpunkt schon ahnen, dass die geplanten, entspannten
Tage zwischen Lehmmauern mal wieder eine Talfahrt der Gefühle wird?
Als
wir den Roten auf dem Parkplatz abstellen „verschluckt“ er sich
kurz...egal, denken wir, da steht ein vollkommen vollgeschlammter
Mercedes G mit Frankfurter Kennzeichen. Ein Fehler, den wir nicht
wahrnehmen, sondern erst mal eine Runde Schnacken.
Als
Valentin Routiniemäßig am nächsten Tag den Benzinfilter tauscht
und danach den Motor starten will, um Benzin in die neuen Leitungen
zu Pumpen, röchelt unser Motor asthmatisch. Ohne euch die Details zu
allen unternommenen Schritten zu nennen sei gesagt: nach einem Tag
basteln und einer schlaflosen Nacht entdecken wir am nächsten
Schraubertag den defekten Zündfinger und die in Mitleidenschaft
gezogenen Verteilerkappe. Die ist bei unserem Roten so schwer
zugänglich, dass das einem Fiasko gleicht...dennoch führen wir mal
wieder ein Freudentänzchen auf, weil wir ein kaputtes Teil gefunden
haben. Wer die Ursache kennt kann diese leicht beheben? Weit
gefehlt...wir tüfteln bis in die Dunkelheit, von Zeit zu Zeit stopfe
ich einen Schokoriegel in Valentin und vergesse dabei, dass ich
selbst nur gefrühstückt habe. Der Motor springt und springt nicht
an. Eine weitere Nacht mit Grübelei aber dafür ohne Schlaf steht
an. Sobald die Sonne aufgegangen ist steht Valentin wieder an der
Motorhaube. Ein Glück, dass ihm Janus und Cristian beistehen und die
Drei laut Denkend Ursachenforschung betreiben, während ich via
Whatsapp den Telefonjoker Papa zu Rate ziehe, Videos schicke und der
väterliche KFZ Meister gute Impulse gibt.
Ein
niederländisches Pärchen (Emmy & Rob) gesellen sich hinzu. Auch
Rob sieht sich angespornt des Rätsels Lösung zu präsentieren und
so wird es Mittag, bis der Rote mit einer riesigen schwarzen
Auspuffswolke anspringt. Nach drei Tagen Ahnungslosigkeit schnurrt er
und Valentin und ich liegen uns erschöpft aber erleichtert in den
Armen.
Ja,
das gehört zum Reisen dazu! Ja, man sollte das (vor allem, weil es
nicht das erste Mal ist) gelassener nehmen können. Allerdings waren
die Tage für uns einfach emotional vollkommen aufgeladen und das lag
nicht nur am Schlafmangel oder dem Gedanken an den logistischen
Aufwand, den wir betreiben müssten, sollte der Rote einen
Motorschaden haben, sondern vor allem an dem Gedanken, unser
Reisevorhaben ein zweites Mal aufgeben und nach Hause kehren zu
müssen. Eine Panne in Deutschland bzw Europa ist leicht mit dem ADAC
lösbar...eine Panne im Iran zwar schon scheiße aber im Notfall gibt
es auch hier Werkstätten und Mechaniker und, wie wir in der
Vergangenheit schon erfahren haben, lassen sich die 3,5 Tonnen
rollendes Zuhause auch kurzerhand auf einen Laster oder alternativ
auf einen Zug verladen.
Sollten
wir uns allerdings in Zentralasien...auf dem Pamir Highway oder in
der Mongolei...nicht auf den Roten verlassen können, könnten Tage
vergehen, bis wir überhaupt mal einen Menschen antreffen. Der bloße
Wille einen Plan umzusetzen ist dann manchmal nicht genug, die
Vernunft muss auch noch eine abwägende Rolle spielen. Aber wir haben
ja noch ein paar tausend Kilometer, um unser Vertrauensverhältnis
zum Roten zu reflektieren. Wir möchten schließlich nicht
unvorbereitet oder gar naiv beim Reisen sein, auch wenn wir
zuversichtlich sind, dass man irgendwie überall Lösungen findet!
Denn:
ja, auch das temporäre Hadern, Verunsicherungen von Zeit zu Zeit und
kreative Lösungsfindungen sind Teil des Reisens!
Zum
Abschied besuchen wir noch den Sahb-Zaman Club, ein traditioneller
iranischer Sportclub, in dessen Gewölbe wahlweise riesige Holzkeulen
oder Massive Eisenketten über dem Kopf geschwungen werden, während
sich die Athleten immer wieder wie die Derwische um ihre eigene Achse
drehen und rhythmische Trommelklänge mit Gesang ertönen. Ein
wirklich lohnendes Spektakel!
Nachdem
wir am nächsten Morgen ein letztes Mal das Frühstücksbuffet des
Silk Road Hotels für sagenhafte 100 000 Rial pro Nase in Anspruch
nehmen, lassen wir Yazd etwas wehmütig hinter uns und fahren vorbei
an duftenden Teeplantagen und einem großen Salzsee nach
Esfahan...vielleicht ergibt sich dort endlich mal wieder die
Möglichkeit zu klettern?
Ps: In Vorfreude auf unser Russlandvisum, lassen wir das Toilettenschild des Orient Hotels mal unkommentiert...
Ps: In Vorfreude auf unser Russlandvisum, lassen wir das Toilettenschild des Orient Hotels mal unkommentiert...
Kommentare
Kommentar veröffentlichen