ESFAHAN
– vertrautes Terrain
Wir
fahren nach Esfahan und der Rote spielt auch ganz gut mit. Als wir
dort unseren Parkplatz ansteuern, auf dem wir das letzte Mal zum
ersten Mal einen riesen Haufen Overlander getroffen haben, stellen
wir allerdings eine Veränderung fest.
Der
Parkplatz hat ein neues Wächterhäusschen, der Parkwächter vom
letzten Mal scheint hier nicht mehr zu arbeiten, stattdessen
empfangen uns zwei junge Herren mit Warnwesten. Der Parkplatz ist
brechend voll, doch obwohl auch immer wieder Autos wegfahren weisen
sie uns, dass dort kein Platz für unser Fahrzeug ist. Dank einer
Englisch sprechenden Esfahanerin können wir ihnen erklären, dass
unser Vehikel mit dem Platz auf einer eingezeichneten Parkfläche
sehr wohl zurecht kommt, aber es scheint Rushhour zu sein und die
Beiden vertrösten uns auf ein paar Stunden später.
Also
gehen wir in den Seitengassen auf Parkplatzsuche in der Nähe des
großen Parks, um dennoch von den öffentlichen Toiletten profitieren
zu können. Die nächsten beiden Tage bummeln wir über den uns schon
bekannten Bazar, kaufen in einem der vielen „Unverpackt Läden“
(die sich selbst nie so bezeichnen würden) ein halbes Kilo „Smacks“,
um unsere Haferflocken aufzupeppen und nehmen die unfassbare Menge
dann...wer hätte es gedacht...in einer großen Plastiktüte mit nach
Hause.
Wir
gönnen uns einen Nachmittag in einem Kaffee und gehen abends bei dem
kitschigen „Italiener“ essen, den wir beim letzten Mal entdeckt
haben und dessen Ambiente mit dem wilden Muster-Farben-Mix und der
Neonbeleuchtung uns so sehr amüsiert hatte.
Da
immer noch unklar ist, wann wir unsere Pässe mit dem Russlandvisum
aus Deutschland erhalten und mal wieder alles länger dauert als
gedacht, wollen wir in Esfahan außerdem noch unser Visum verlängern.
Als
wir die Adresse heraussuchen stellen wir fest, dass in der Behörde
wohl (zum ersten Mal) ein Passfoto mit Kopftuch erwünscht ist. Also
funktionieren wir den Bus kurzerhand in eine Fotostudio um, klemmen
unseren weißen Bettbezug in die Klappen der Kleidungsfächer, um
einen neutralen Hintergrund zu haben und knipsen drauf los. Dann auf
zur Behörde in der wir mal wieder wie VIP`s behandelt werden. Die
Menschentrauben an Afghanischen, Pakistanischen und Iranischen
Antragssteller_innen winken uns jedes Mal direkt vor zum Schalter,
ein Mann bezahlt den zu entrichtenden Betrag mit seiner Bankkarte, da
unsere Kreditkarte natürlich nicht akzeptiert wird (das von den
Beamten verschmähte Bargeld bekommt also er) und einer der Wartenden
sieht sich verantwortlich für unsere Kopien. Man bleibt irgendwie
immer ganz hilflos zurück, weil all diese Freundlichkeit keine
Gegenleistung erwartet und man selbst doch irgendwie dahingehend
sozialisiert wurde, eine Gegenleistung zu erbringen. Zwischendurch
möchte uns noch ein Paar unbedingt mit nach Hause nehmen und uns zum
Essen einladen, trotz keiner gemeinsamen Verbalsprache. Nach nicht
einmal zwei Stunden sind wir raus aus dem Gebäude, mit zusätzlichen
Stempeln im Pass und viel Gelächter bei dem Versuch, unsere Namen
richtig auszusprechen.
Dann
haben wir genug von der Stadt und fahren zu dem etwas außerhalb
liegenden Sofeh Mountain. Am Fuß des Bergs liegt ein großer Park
und wir haben von einem Klettergebiet an den Felsen gelesen.
Es
führen sogar kleine Gondeln auf den 2241 m.Ü.M liegenden Berg, aber
wir erkunden erst einmal zu Fuß...bei feinstem Aprilwetter. Die
gesamte Wanderung sind wir damit beschäftigt Kleidung auszuziehen
wenn die Sonne rauskommt, anzuziehen wenn der sehr kräftige Wind
einsetzt und auch unsere Regenjacken sind gefragt, ganz zu schweigen
von einem kleinen Hagelschauer.
Den
Kletterfels entdecken wir zum Schluss dann hier:
GPS
32.59637, 51.644875
Also
nehmen wir am nächsten Tag die Gondel nach oben, um unsere
Muskelkraft zum klettern einzusetzen. Bei der überhängenden
Wand und ohne Topos merken wir leider schnell, dass wir längere Zeit
nicht mehr an der Wand waren...Freude hatten wir dennoch.
Nach
ein paar Tagen am Sofeh machen wir uns nochmal auf in den Süden von
Esfahan. Ein Wanderer hat uns den Tipp der hießigen „Policewall“
gegeben. Eine Kletterwand hinter einem Wachposten der Polizei an der
Schnellstraße. Da am nächsten Tag der 21.4. ist und ich mir zu
meinem Geburtstag nichts Besseres als ein Pfannkuchenfrühstück mit
anschließender Kletterei wünschen kann, machen wir uns also auf den
Weg.
„Policewall“
ist eigentlich eher eine „Red Cresent Wall“ (GPS 32.41768,
51.761878) denn die Station des Roten Halbmondes befindet sich viel
Näher an der Wand als die versetzte Polizeistation. Die Sanitäter
sind bereits bei unserer Ankunft sehr freundlich und bieten uns an,
auf ihrem Parkplatz zu stehen, damit sie ein Auge auf uns haben
können. Als sich die Herren am nächsten Morgen nach unserem
Befindet erkundigen und von Valentin von meinem Jubeltag erfahren,
laden sie uns spontan ein zu Tee und Musik. Einer der Sanitäter
spielt einen nur für Bandar Abbas üblichen Dudelsack (die
Farsibezeichnung ist mir leider wieder entfallen) und so sitzen wir
in einer ausgelassenen Runde bei Tee und kurdischen Klängen, weil er
die am liebsten spielt, obwohl er selbst aus Esfahan kommt, bis der
Rest der Crew von ihrem nächtlichen Einsatz zurück kommt. Sie sind
gegen 3 h Nachts in die umliegenden Berge gerufen worden, da von
einer wandernden Gruppe nur ein Teil zurückkehrte. Leider konnten
sie den Mann nicht mehr lebend bergen. Was für eine Person ein
Geburtstag ist, ist für jemand anderen der letzte Tag gewesen. Doch
sie möchten lieber Ablenkung statt darüber zu reden und so tanzt
plötzlich der ganze Raum, es wird geklatscht, die Männer nehmen
einen der Sanitäter auf die Schultern, singen und wirbeln ihn herum.
Nachdem
wir noch 100 Selfies gemacht haben, geht’s trotz Sturmböen auf zur
Wand und wir verbringen einen bewölkten Tag mit kleinen Leisten und
fitzeligen Tritten, ganz nach meinem Geschmack.
Am
nächsten Tag genießen wir direkt nochmal die große Wand und
treffen dort auf zwei Dutzend Soldaten, die in ihren Uniformen und
schweren Stiefeln das Klettern trainieren. Bolt für Bolt ziehen sie
sich an den Exen hoch, aber im Ernstfall gibt es ja auch keine Punkte
für eine schöne Technik im Freeclimbing, in dem Training geht es
ganz offensichtlich um andere Ziele.
Die
Herrschaften begutachten ausgesprochen neugierig unser
Kletterequipment, vor allem der Beta Stick, den wir uns extra für
die Reise angeschafft haben, um kein unnötiges Risiko eingehen zu
müssen, hat es ihnen angetan. Sie beschenken uns mit Softdrinks und
möchten unbedingt, dass wir gemeinsam Mittagessen, doch wir lehnen
dankend ab, um noch ein paar Routen machen zu können bis die grauen
Wolken zu nahe kommen. Zwei der Männer bringen uns daraufhin
kurzerhand das Mittagessen in Styroporbehältern an den Fels, mit
weiteren Getränken, der Bitte nach einem Selfie und einer weiteren:
Wir sollen doch bitte erzählen, dass sie keine Terroristen sind. Sie
möchten wissen, was wir von den Iraner_innen denken und warum ihr
Image in der Welt so schlecht ist, wo sie doch nur Frieden wollen.
Verteidigen müssen sie sich oft, eigeninitiativ einen Krieg
anzetteln läge ihnen fern und wäre ohnehin im schiitischen Glauben
verboten! Wir versichern ihnen mehrfach, dass wir ganz bestimmt
nicht denken, dass sie Terroristen sind, dafür haben wir einfach zu
viele gegenteilige Erfahrungen im Iran gemacht! Und, dass wir sehr
wohl differenzieren, zwischen Politik und überwiegend
unbeschreiblich herzlicher Bevölkerung.
ZAGROS
GEBIRGE – persische Alpen
Der
Rote klettert immer höher die Berge hinauf, um uns ins Zagros zu
bringen. Die Fotos, die man im Netz findet sind atemberaubend und
tatsächlich sind wir umgeben von weiß gezuckerten Berggipfeln und
kalter dünner Luft.
An unserem grob in der Navigation gewählten
Ziel angekommen treffen wir durch ein aufmüpfiges Kind, welches sich
an unserem Bus zu schaffen macht Milad und Parisa. Die beiden
entschuldigen sich, für den ihnen vollkommen unbekannten Jungen und
dessen Verhalten und bieten uns an, uns einen schönen Stellplatz zu
zeigen. Wenige Kilometer außerhalb organisiseren sie uns einen
Parkplatz in einem Park, in dem Autos sonst nicht zugelassen sind,
aber für uns macht man selbstverständlich eine Außnahme. Die
Mitarbeiter des Geländes sind super nett und so haben wir trotz mal
wieder fehlender gemeinsamen Verbalsprache einiges zu Lachen und
selbstverständlich werden mal wieder massig Selfies gemacht.
Am
nächsten Tag geht es mit den Mountainbikes auf zum Kocherey Lake,
dort halten wir auf einer Anhöhe ein Picknick ab mit fantastischer
Aussicht inmitten von Bergen. Selbstverständlich nicht, ohne beim
Fahrradfahren einen kurzen Stopp für zwei Brüder einzulegen, die
ein Selfie mit uns möchten, während wir ihren (sonst auf der
Fahrzeugarmatur liegenden) Deutschlandschal in die Höhe halten. Wenn
man mich vor der Reise gefragt hätte, ob ich jemals einen
Deutschlandschal grinsend in eine Kamera halte...meine Antwort wäre
ein entschiedenes NEIN! NIEMALS! gewesen.
TEHERAN
– Shabnam and Friends!
Wir
fahren weiter nach Teheran, wo wir endlich in Erfahrung bringen
möchten, ob wir nun ein turkmenisches Visum erhalten haben oder
eines für Aserbaidschan beantragen müssen, um nach Usbekistan zu
verschiffen. Dort treffen wir außerdem wieder auf Cristian mit
Familie und Janus und Ursel.
Hinzu
kommt, dass wir Shabnam kennenlernen :) eine Iranerin, die ein riesen
Herz für Traveller_innen hat, sie nach Hause einlädt, bekocht,
ihnen ihre Waschmaschine und Dusche anbietet und einfach eine ganz
gute Seele ist. So kommt es, dass wir ganze zwei Tage eigentlich von
Mittags bis Abends in ihrer Wohnung abhängen. Ursel hat sich einen
persischen Kochkurs von ihr gewünscht und so schlagen wir am ersten
Tag erst auf, als die Töpfe bereits Stunden dampfen und das
Mittagessen von ihr und der fleißig Notizen machenden Ursel kredenzt
wird.
Da wir einen so leckeren Mittag bei ihr hatten mit
anschließendem Tee, bieten wir spontan an, am nächsten Mittag
Käsespätzle für alle zu machen, um das Beisammensein zu
wiederholen. Da Shabnam an dem Tag noch einen Termin bei einer
Schulbehörde hat, bieten wir uns kurzerhand noch als Kindersitter an
und verabreden uns für 11Uhr am Folgetag.
Als
wir am nächsten Morgen den Bus verlassen, um die Zutaten zu
besorgen, sehen wir auf der Straße einen erbitterten Kampf einer
Krähe mit einer Katze um...ja was ist das denn da auf dem Asphalt?
Als es mir dämmert renne ich auch schon los: ein Katzenbaby, die
Krähe will das Katzenbaby klauen!!! Als ich sie verscheucht habe und
auch die Katze Reißaus nimmt merke ich, dass es sogar zwei
rotgetigerte Kitten sind. Die beiden haben noch die Augen
geschlossen, kaum mehr als ein paar Tage alt. Was mach ich denn jetzt
mit ihnen? Valentins Herz ist schnell beim Anblick der beiden auf
meiner EINEN Handfläche erweicht und so sehe ich mich schon
zweistündig Milchpulver anrühren und Bäuche massieren...das kann
eine Katzenmama definitiv besser als ich und braucht dazu kein
künstliches Pulver!
Unser
ewig über beide Backen strahlender Parkwächter gibt mir den Tipp,
sie geschützt unter einem Busch abzusetzen und erst einmal
abzuwarten, ob die Mutter sich noch blicken lässt. Das tut sie auch,
allerdings holt sie nur eine der Beiden ab und lässt dann auf sich
warten. Ob sie Sie für zu schwach befunden hat? Ob das Kätzchen zu
sehr nach mir oder der Krähe riecht? Ich behalte den Busch weiter im
Auge, wohl wissend, dass so eine Kitte zwar nicht so schnell
verhungert, allerdings doch recht fix auskühlt und erfriert. Doch
zum Glück ist sie weg, als Valentin und ich nach langer Zeit nochmal
den Busch heben...hoffentlich war es die Mamakatze, die sie geholt
hat.
Nach
dem ganzen morgendlichen Trubel um die Kitten kommen wir eine halbe
Stunde später bei Shabnam an als geplant. Die ist gerade auf dem
Sprung während wir uns die Utensilien in der Küche zusammensuchen.
Kaum geht die Haustür, steht Nima neben Valentin und deutet, dass er
gerne helfen möchte. Er stellt sich als echter Profi in Sachen Eier
aufschlagen heraus und ist vollkommen konzentriert bei der Sache,
schließlich müssen ganze 18 Stück in die Schüssel aufgeschlagen
werden.
Kurze Zeit später klingelt es und Cristian, Audrey und ihre
Kinder Emilia und Lukas kommen hinzu. Auch diese Beiden haben Spaß
am Teig rühren, über die Schulter gucken und beim späteren Schaben
der Spätzle. Ursel und Janus stoßen irgendwann hinzu und kaum ist
Shabnam von ihrem Termin zurück, stehen die zusätzlich mit Käse
überbackenen Auflaufformen dampfend auf dem Tisch.
Danach macht sich
ein komatöser Zustand bei allen breit und wir verteilen uns auf
Teppiche, Sofas oder Betten. Shabnam ruht sich nicht aus, sie möchte
uns die nächste Wohltat zukommen lassen und backt einen Kuchen für
den Nachmittag, obwohl an Essen gerade so gar nicht zu denken ist.
Egal, der Kuchen mit Möhren, Walnüssen und Äpfeln kommt dennoch
super an und im Anschluss lauschen wir noch einem ganz herausragenden
Konzert, welches uns Audrey auf ihrer Geige gibt. Das unfassbare
daran ist, dass sie erst vor 2 Jahren entschieden hat, sich das
Geigespielen beizubringen und seither täglich eine Stunde übt...das
Resultat lässt einen mit offenem Mund zurück, ich denke niemand in
der Runde hätte gedacht, dass ein so komplexes Instrument in so
einem Zeitraum so beherrscht werden kann. Chapeau Audrey!
Den
darauffolgenden Tag schlendern wir ein wenig umher, erkunden den
nahegelegenen Laleh Park und lassen uns in Teheran treiben.
Am
nächsten Morgen dann die Überraschung: Janus und Ursel haben das
Turkmenistan Visum bewilligt bekommen! Die Beiden packen in
Windeseile zusammen und wir nehmen Abschied (wahrscheinlich eh wieder
nur auf Zeit). Vollkommen verblüfft waren wir alle, es hatte wohl
keiner mehr damit gerechnet, nachdem alle Anfragen nichtssagend
blieben und keine Auskunft erteilt wurde. Valentin und ich, die auch
immer noch keine Email bekommen haben und deren beantragter
Reisezeitraum schon abgelaufen ist, beschließen direkt am nächsten
Tag einen neuen Antrag in Teheran zu stellen. Also machen wir mal
wieder einen Office Tag, kopieren, drucken und füllen Formulare aus,
was das Zeug hält und fahren am nächsten Tag gen Norden. An der
Botschaft angekommen, stehen wir dann mit ungläubigen Blicken vor
dem Konsul nachdem er nach Aschgabat telefoniert hat: „Ihr Visum
ist bewilligt, hier ihre Referenznummer. Sie können sich das Visum
jederzeit in Mashad abholen“. Achso. So „Einfach“? Nach kurzem
Erklärversuch, dass diese Pässe derzeit für ein Russlandvisum
abkömmlich sind, wird die Szene Kafkaesk...“Kein Problem. Kommen
sie einfach mit ihren Pässen wenn sie sie haben! Dann geben wir
ihnen das Visum.“ Achso...jetzt können wir auch noch den
Einreisezeitpunkt beliebig wählen?! Praktisch! Nach unserer
Erfahrung auf der Botschaft in Abu Dhabi, der ewigen Nicht-Auskunft
über unseren Status und allem was man bezüglich des Turkmenistan
Visums im Netz liest, staunen wir nicht schlecht, beschweren uns aber
natürlich nicht. An der Stelle ist dann eher wieder ein
Freudentänzchen fällig. Wir verbringen noch ein paar Tage im
Norden, schmausen leckere Falafel und bummeln über den alten Tajrish
Basar und fahren weiter zum Taleghani Forest Park, wo wir alle
vorhandenen Trainingsgeräte ausprobieren und umher schlendern. Ein
iranisches Phänomen scheint nämlich zu sein: Das es dem jeweils
anderen Geschlecht verboten ist, jemandem beim Sport zuzusehen (siehe
Stadionverbot für Frauen etc.) aber in jeder noch so kleinen
Parkanlage öffentliche Trainingsgeräte stehen, die sowohl von
Männern als auch von Frauen benutzt werden.
Wir
werden in den nächsten Tagen sehen, ob die Möglichkeit, gemeinsam
Sport zu machen auch für die Teheraner Kletterhalle gilt...
...und
sie gilt natürlich nicht. Enttäuscht ziehen wir unverrichteter
Dinge wieder ab und fahren zurück zu unserem Parkplatz am Park. Dort
ist mittlerweile die französische Familie von PLEM` Mobile
(plemmobiles.com) angekommen. Miguel, Elodie, Lola und Pablo haben
wir bereits in Sharjah am Aquarium kennengelernt und die Vier sind
auch schon Shabnam bekannt. So lädt sie die große Runde für den
nächsten Tag zum Mittagessen ein und mal wieder verbringen wir einen
köstlichen Tag bei Shabnam und werden noch in Kalligraphie und
Santur unterrichtet. Alleine für den Namen „Heidi“ scheint es
mindestens drei Schreibweisen zu geben.
Die
Familie Plem`Mobile und die Familie Iran is Great möchten sich
ebenfalls bei Shabnam für das Essen revanchieren und so sitzen wir
24 Stunden später wieder bei ihr zu leckerem Kartoffelgratin und
Erdbeertiramisu. Dazugestoßen sind bis dahin noch Jürgen und
Ingrid, die ihr Rentnerdasein im Unimog genießen und die wir
ebenfalls in den Emiraten schon getroffen hatten.
Für
den folgenden Tag verabreden wir uns wieder...Shabnam hatte
vorgeschlagen das Museum über den Iran-Iraq Krieg zu besichtigen und
wir sind alle interessiert.
Hierzu
muss man sagen, dass die Iraner_innen großen Wert darauf legen,
nicht von einem „Kriegsmuseum“ zu reden, da der Iraq damals mit
Hilfe der USA (die zu dem Zeitpunkt noch Sadam Hussein unterstützten)
einen Territorialen Krieg begann, weshalb sie selbst von einem
„Museum of Holy Defense“ sprechen. Dabei setzt die Geschichte
bereits zur Herrschaft des Schahs an, noch vor der Revolution, um den
Zeitgeist, der in den Krieg mündete abzubilden. Die Bilder, welche
die Schreckensherrschaft des Schahs gegen Oppositionelle zeigen sind
drastisch, gleichwohl kann man Ähnliche bis Gleiche wohl auch im
heutigen Regime vorfinden.
Was definitiv deutlich wird: der Iran und
dessen Bevölkerung ist bereits seit Jahrzehnten der Unterdrückung
ausgesetzt und während Shabnam mit einer Haltung der Normalität
durch das Museum schreitet, müssen wir nicht selten tief
durchatmen...die Bilder gehen unter die Haut!
Die medialen Methoden
hierzu sind klug gewählt, die Informationsweitergabe geschieht nicht
nur auf Sachlicher sondern auch auf Emotionaler und
identifikatorischer Ebene. Man läuft durch realistisch nachgebaute
zerbombte Dörfer, sieht Videoaufnahmen nach Giftgasangriffen und
steht plötzlich in einem Klassenzimmer, dass in Schutt und Asche
liegt.
In einem der Räume lässt eine Leinwand, auf der alltägliche
Szenen des iranischen Lebens gezeigt werden, einen die Perspektive
einnehmen, als wäre man gerade genau dort...dann eine
Lautsprecherdurchsage und alle beginnen zu rennen...Sekunden später
donnern Flugzeuge über unsere Köpfe und die Bomben fallen...als
sich der Staub lichtet, liegen leblose Menschen vor einem. Es sind
Bilder die man, wenn man Krieg nur als Wort ohne reale Semantik
kennengelernt hat, schwer verdauen kann. Und es sind Bilder, die das
Leid der iranische Bevölkerung in ihrer Dramatik offenbart. Ebenso
deutlich wird, weshalb es radikale Mullahs unter diesen Umständen
leicht haben, durch Folter, Exekutionen und Repression ein Klima der
Angst aufrecht zu erhalten und sich als Alternativlos zu inszenieren.
Und es wird deutlich, dass die Skepsis gegenüber dem Westen und
insbesondere der USA eine lange, nachvollziehbare Geschichte hat!
Sicherlich sind einige der Darstellungen in dieser Kultureinrichtung
einseitig, dennoch sorgt sie für eine gehörige Portion Empathie und
Fassungslosigkeit und lässt einen angesichts der derzeitigen Lage
mit „Präsident“ aka Kleinkind-Trump noch ungläubiger den Kopf
schütteln.
Muss
man sich von westlichen Staaten denn ausbeuten lassen, um als
iranisches Volk eine Daseinsberechtigung zu haben?
Am
darauffolgenden Tag schreibt uns Shabnam, dass unser Paket mit den
Ersatzteilen für den Roten endlich eingetroffen ist. Perfekt! Denn
die Pässe mit unserem Russlandvisum sollen wir auch am Abend
erhalten, wenn wir Valentins Ex-Kollegen in seinem Hotel antreffen.
Dort
sitzen wir dann auch abends und vertilgen persische Pizza mit drei
von Valentins ehemaligen Kollegen.
Als
wir spät abends mit der Taxi App „Snapp“ vom Norden wieder ins
Zentrum von Teheran düsen, müssen wir uns noch einer Diskussion mit
dem Fahrer liefern denn, er will kein Geld von uns haben! Wie es im
Ta`arof üblich ist intervenieren wir mehrfach aber hören selbst
nach dem achten Mal immer noch „Naaa! Welcome to Iran!!!“.
Nach
einer Mütze Schlaf machen wir uns auf in den Süden zu einer
Werkstatt, die in der iOverlander App empfohlen wurde.
Dort
angelangt lernen wir Ben kennen, der mit seinem Nissan gerade aus
Indien zurückreist und ebenfalls das ein oder andere von dem
Familienbetrieb Sarpoolaki hat schrauben lassen (sarpoolakigroup.com/
oder auf Facebook Sarpoolaki Group 4x4). Der Vater als auch der Sohn
sind bekannt in der Racingszene Iran und machen in ihrer Werkstatt
alles was man sich nur vorstellen kann. Chassis, Karosserien, Allrad
Modifikationen, komplette Umbauten auf Allrad und und und. Vater und
Sohn sind dabei ein gutes und vor allem leidenschaftliches Gespann,
dass die Werkstatt jedem Urlaub vorzieht und so wird man direkt
herzlich in die Familie aufgenommen, wenn man auf ihrem Hof steht.
Die Werkstatt ist WIRKLICH zu empfehlen, die beiden sind
ausgesprochenen Koryphäen und hier:
GPS
35.66183, 51.45418 zu finden.
Drei
Tage verbringen wir mit den neugewonnenen Freunden, staunen darüber,
wie sie nicht erhältliche Teile einfach aus einem Block Aluminium
für uns anfertigen und sehen ihnen immer wieder zu, wie sie den Kopf
schütteln über die Arbeiten, die wir in den Emiraten und im Oman
haben verrichten lassen.
Abends sitzen wir bei leckerem iranischen
Essen und Selbstgebranntem beisammen bis spät in die Nacht. Ebenso
an dem Abend, an dem Trump die Aufkündigung des Iranabkommens
verkündet...weshalb wir erst einmal betroffen und schweigend
dasitzen, während Vater und Sohn darüber debattieren, ob nun ein
Krieg ansteht und dass ihre Währung, der Rial/Toman, derzeit nichts
mehr Wert ist. Man hat unweigerlich die Videoaufnahmen aus dem Museum
im Kopf und wir sind betroffen...ob wir nun hier sind oder nicht, wir
wollen uns nicht vorstellen, dass Bomben auf diese liebgewonnenen
Menschen regnen!
Nun
sind wir wieder „On the Road“ holen morgen unser Turkmenistan
Visum auf der Botschaft ab und machen Kilometer...es geht endlich auf
nach Zentralasien!!!!
PS: Wir haben ein Interview über unseren Roten gegeben, dass hier:
erschienen ist. Wer alle Eckdaten zu unserem rollenden Zuhause nachlesen mag oder wissen möchte, wie Valentin zu ihm gekommen ist, erfährt hier alles :)
Hi you two!
AntwortenLöschenWe are very happy to have met you and hitchhiked your super van! We found people in the street the last night and we ended up sleeping in a rock music studio!
Hope you are fine, and maybe see you on the way! You can contact us on whatsapp with the number we gave you. Drive safe, Julien & Margaux