Iran 6

ESFAHAN – vertrautes Terrain


Wir fahren nach Esfahan und der Rote spielt auch ganz gut mit. Als wir dort unseren Parkplatz ansteuern, auf dem wir das letzte Mal zum ersten Mal einen riesen Haufen Overlander getroffen haben, stellen wir allerdings eine Veränderung fest.
Der Parkplatz hat ein neues Wächterhäusschen, der Parkwächter vom letzten Mal scheint hier nicht mehr zu arbeiten, stattdessen empfangen uns zwei junge Herren mit Warnwesten. Der Parkplatz ist brechend voll, doch obwohl auch immer wieder Autos wegfahren weisen sie uns, dass dort kein Platz für unser Fahrzeug ist. Dank einer Englisch sprechenden Esfahanerin können wir ihnen erklären, dass unser Vehikel mit dem Platz auf einer eingezeichneten Parkfläche sehr wohl zurecht kommt, aber es scheint Rushhour zu sein und die Beiden vertrösten uns auf ein paar Stunden später.
Also gehen wir in den Seitengassen auf Parkplatzsuche in der Nähe des großen Parks, um dennoch von den öffentlichen Toiletten profitieren zu können. Die nächsten beiden Tage bummeln wir über den uns schon bekannten Bazar, kaufen in einem der vielen „Unverpackt Läden“ (die sich selbst nie so bezeichnen würden) ein halbes Kilo „Smacks“, um unsere Haferflocken aufzupeppen und nehmen die unfassbare Menge dann...wer hätte es gedacht...in einer großen Plastiktüte mit nach Hause.




Wir gönnen uns einen Nachmittag in einem Kaffee und gehen abends bei dem kitschigen „Italiener“ essen, den wir beim letzten Mal entdeckt haben und dessen Ambiente mit dem wilden Muster-Farben-Mix und der Neonbeleuchtung uns so sehr amüsiert hatte. 


 
Da immer noch unklar ist, wann wir unsere Pässe mit dem Russlandvisum aus Deutschland erhalten und mal wieder alles länger dauert als gedacht, wollen wir in Esfahan außerdem noch unser Visum verlängern.
Als wir die Adresse heraussuchen stellen wir fest, dass in der Behörde wohl (zum ersten Mal) ein Passfoto mit Kopftuch erwünscht ist. Also funktionieren wir den Bus kurzerhand in eine Fotostudio um, klemmen unseren weißen Bettbezug in die Klappen der Kleidungsfächer, um einen neutralen Hintergrund zu haben und knipsen drauf los. Dann auf zur Behörde in der wir mal wieder wie VIP`s behandelt werden. Die Menschentrauben an Afghanischen, Pakistanischen und Iranischen Antragssteller_innen winken uns jedes Mal direkt vor zum Schalter, ein Mann bezahlt den zu entrichtenden Betrag mit seiner Bankkarte, da unsere Kreditkarte natürlich nicht akzeptiert wird (das von den Beamten verschmähte Bargeld bekommt also er) und einer der Wartenden sieht sich verantwortlich für unsere Kopien. Man bleibt irgendwie immer ganz hilflos zurück, weil all diese Freundlichkeit keine Gegenleistung erwartet und man selbst doch irgendwie dahingehend sozialisiert wurde, eine Gegenleistung zu erbringen. Zwischendurch möchte uns noch ein Paar unbedingt mit nach Hause nehmen und uns zum Essen einladen, trotz keiner gemeinsamen Verbalsprache. Nach nicht einmal zwei Stunden sind wir raus aus dem Gebäude, mit zusätzlichen Stempeln im Pass und viel Gelächter bei dem Versuch, unsere Namen richtig auszusprechen.
Dann haben wir genug von der Stadt und fahren zu dem etwas außerhalb liegenden Sofeh Mountain. Am Fuß des Bergs liegt ein großer Park und wir haben von einem Klettergebiet an den Felsen gelesen.
Es führen sogar kleine Gondeln auf den 2241 m.Ü.M liegenden Berg, aber wir erkunden erst einmal zu Fuß...bei feinstem Aprilwetter. Die gesamte Wanderung sind wir damit beschäftigt Kleidung auszuziehen wenn die Sonne rauskommt, anzuziehen wenn der sehr kräftige Wind einsetzt und auch unsere Regenjacken sind gefragt, ganz zu schweigen von einem kleinen Hagelschauer. 


 
Den Kletterfels entdecken wir zum Schluss dann hier:
GPS 32.59637, 51.644875
Also nehmen wir am nächsten Tag die Gondel nach oben, um unsere Muskelkraft zum klettern einzusetzen. Bei der überhängenden Wand und ohne Topos merken wir leider schnell, dass wir längere Zeit nicht mehr an der Wand waren...Freude hatten wir dennoch.






Nach ein paar Tagen am Sofeh machen wir uns nochmal auf in den Süden von Esfahan. Ein Wanderer hat uns den Tipp der hießigen „Policewall“ gegeben. Eine Kletterwand hinter einem Wachposten der Polizei an der Schnellstraße. Da am nächsten Tag der 21.4. ist und ich mir zu meinem Geburtstag nichts Besseres als ein Pfannkuchenfrühstück mit anschließender Kletterei wünschen kann, machen wir uns also auf den Weg.
Policewall“ ist eigentlich eher eine „Red Cresent Wall“ (GPS 32.41768, 51.761878) denn die Station des Roten Halbmondes befindet sich viel Näher an der Wand als die versetzte Polizeistation. Die Sanitäter sind bereits bei unserer Ankunft sehr freundlich und bieten uns an, auf ihrem Parkplatz zu stehen, damit sie ein Auge auf uns haben können. Als sich die Herren am nächsten Morgen nach unserem Befindet erkundigen und von Valentin von meinem Jubeltag erfahren, laden sie uns spontan ein zu Tee und Musik. Einer der Sanitäter spielt einen nur für Bandar Abbas üblichen Dudelsack (die Farsibezeichnung ist mir leider wieder entfallen) und so sitzen wir in einer ausgelassenen Runde bei Tee und kurdischen Klängen, weil er die am liebsten spielt, obwohl er selbst aus Esfahan kommt, bis der Rest der Crew von ihrem nächtlichen Einsatz zurück kommt. Sie sind gegen 3 h Nachts in die umliegenden Berge gerufen worden, da von einer wandernden Gruppe nur ein Teil zurückkehrte. Leider konnten sie den Mann nicht mehr lebend bergen. Was für eine Person ein Geburtstag ist, ist für jemand anderen der letzte Tag gewesen. Doch sie möchten lieber Ablenkung statt darüber zu reden und so tanzt plötzlich der ganze Raum, es wird geklatscht, die Männer nehmen einen der Sanitäter auf die Schultern, singen und wirbeln ihn herum. 

 
Nachdem wir noch 100 Selfies gemacht haben, geht’s trotz Sturmböen auf zur Wand und wir verbringen einen bewölkten Tag mit kleinen Leisten und fitzeligen Tritten, ganz nach meinem Geschmack.


Am nächsten Tag genießen wir direkt nochmal die große Wand und treffen dort auf zwei Dutzend Soldaten, die in ihren Uniformen und schweren Stiefeln das Klettern trainieren. Bolt für Bolt ziehen sie sich an den Exen hoch, aber im Ernstfall gibt es ja auch keine Punkte für eine schöne Technik im Freeclimbing, in dem Training geht es ganz offensichtlich um andere Ziele.
Die Herrschaften begutachten ausgesprochen neugierig unser Kletterequipment, vor allem der Beta Stick, den wir uns extra für die Reise angeschafft haben, um kein unnötiges Risiko eingehen zu müssen, hat es ihnen angetan. Sie beschenken uns mit Softdrinks und möchten unbedingt, dass wir gemeinsam Mittagessen, doch wir lehnen dankend ab, um noch ein paar Routen machen zu können bis die grauen Wolken zu nahe kommen. Zwei der Männer bringen uns daraufhin kurzerhand das Mittagessen in Styroporbehältern an den Fels, mit weiteren Getränken, der Bitte nach einem Selfie und einer weiteren: Wir sollen doch bitte erzählen, dass sie keine Terroristen sind. Sie möchten wissen, was wir von den Iraner_innen denken und warum ihr Image in der Welt so schlecht ist, wo sie doch nur Frieden wollen. Verteidigen müssen sie sich oft, eigeninitiativ einen Krieg anzetteln läge ihnen fern und wäre ohnehin im schiitischen Glauben verboten! Wir versichern ihnen mehrfach, dass wir ganz bestimmt nicht denken, dass sie Terroristen sind, dafür haben wir einfach zu viele gegenteilige Erfahrungen im Iran gemacht! Und, dass wir sehr wohl differenzieren, zwischen Politik und überwiegend unbeschreiblich herzlicher Bevölkerung.




ZAGROS GEBIRGE – persische Alpen


Der Rote klettert immer höher die Berge hinauf, um uns ins Zagros zu bringen. Die Fotos, die man im Netz findet sind atemberaubend und tatsächlich sind wir umgeben von weiß gezuckerten Berggipfeln und kalter dünner Luft. 

An unserem grob in der Navigation gewählten Ziel angekommen treffen wir durch ein aufmüpfiges Kind, welches sich an unserem Bus zu schaffen macht Milad und Parisa. Die beiden entschuldigen sich, für den ihnen vollkommen unbekannten Jungen und dessen Verhalten und bieten uns an, uns einen schönen Stellplatz zu zeigen. Wenige Kilometer außerhalb organisiseren sie uns einen Parkplatz in einem Park, in dem Autos sonst nicht zugelassen sind, aber für uns macht man selbstverständlich eine Außnahme. Die Mitarbeiter des Geländes sind super nett und so haben wir trotz mal wieder fehlender gemeinsamen Verbalsprache einiges zu Lachen und selbstverständlich werden mal wieder massig Selfies gemacht.




Am nächsten Tag geht es mit den Mountainbikes auf zum Kocherey Lake, dort halten wir auf einer Anhöhe ein Picknick ab mit fantastischer Aussicht inmitten von Bergen. Selbstverständlich nicht, ohne beim Fahrradfahren einen kurzen Stopp für zwei Brüder einzulegen, die ein Selfie mit uns möchten, während wir ihren (sonst auf der Fahrzeugarmatur liegenden) Deutschlandschal in die Höhe halten. Wenn man mich vor der Reise gefragt hätte, ob ich jemals einen Deutschlandschal grinsend in eine Kamera halte...meine Antwort wäre ein entschiedenes NEIN! NIEMALS! gewesen.






TEHERAN – Shabnam and Friends!


Wir fahren weiter nach Teheran, wo wir endlich in Erfahrung bringen möchten, ob wir nun ein turkmenisches Visum erhalten haben oder eines für Aserbaidschan beantragen müssen, um nach Usbekistan zu verschiffen. Dort treffen wir außerdem wieder auf Cristian mit Familie und Janus und Ursel.
Hinzu kommt, dass wir Shabnam kennenlernen :) eine Iranerin, die ein riesen Herz für Traveller_innen hat, sie nach Hause einlädt, bekocht, ihnen ihre Waschmaschine und Dusche anbietet und einfach eine ganz gute Seele ist. So kommt es, dass wir ganze zwei Tage eigentlich von Mittags bis Abends in ihrer Wohnung abhängen. Ursel hat sich einen persischen Kochkurs von ihr gewünscht und so schlagen wir am ersten Tag erst auf, als die Töpfe bereits Stunden dampfen und das Mittagessen von ihr und der fleißig Notizen machenden Ursel kredenzt wird. 


Da wir einen so leckeren Mittag bei ihr hatten mit anschließendem Tee, bieten wir spontan an, am nächsten Mittag Käsespätzle für alle zu machen, um das Beisammensein zu wiederholen. Da Shabnam an dem Tag noch einen Termin bei einer Schulbehörde hat, bieten wir uns kurzerhand noch als Kindersitter an und verabreden uns für 11Uhr am Folgetag.
Als wir am nächsten Morgen den Bus verlassen, um die Zutaten zu besorgen, sehen wir auf der Straße einen erbitterten Kampf einer Krähe mit einer Katze um...ja was ist das denn da auf dem Asphalt? Als es mir dämmert renne ich auch schon los: ein Katzenbaby, die Krähe will das Katzenbaby klauen!!! Als ich sie verscheucht habe und auch die Katze Reißaus nimmt merke ich, dass es sogar zwei rotgetigerte Kitten sind. Die beiden haben noch die Augen geschlossen, kaum mehr als ein paar Tage alt. Was mach ich denn jetzt mit ihnen? Valentins Herz ist schnell beim Anblick der beiden auf meiner EINEN Handfläche erweicht und so sehe ich mich schon zweistündig Milchpulver anrühren und Bäuche massieren...das kann eine Katzenmama definitiv besser als ich und braucht dazu kein künstliches Pulver!


Unser ewig über beide Backen strahlender Parkwächter gibt mir den Tipp, sie geschützt unter einem Busch abzusetzen und erst einmal abzuwarten, ob die Mutter sich noch blicken lässt. Das tut sie auch, allerdings holt sie nur eine der Beiden ab und lässt dann auf sich warten. Ob sie Sie für zu schwach befunden hat? Ob das Kätzchen zu sehr nach mir oder der Krähe riecht? Ich behalte den Busch weiter im Auge, wohl wissend, dass so eine Kitte zwar nicht so schnell verhungert, allerdings doch recht fix auskühlt und erfriert. Doch zum Glück ist sie weg, als Valentin und ich nach langer Zeit nochmal den Busch heben...hoffentlich war es die Mamakatze, die sie geholt hat.
Nach dem ganzen morgendlichen Trubel um die Kitten kommen wir eine halbe Stunde später bei Shabnam an als geplant. Die ist gerade auf dem Sprung während wir uns die Utensilien in der Küche zusammensuchen. Kaum geht die Haustür, steht Nima neben Valentin und deutet, dass er gerne helfen möchte. Er stellt sich als echter Profi in Sachen Eier aufschlagen heraus und ist vollkommen konzentriert bei der Sache, schließlich müssen ganze 18 Stück in die Schüssel aufgeschlagen werden. 


Kurze Zeit später klingelt es und Cristian, Audrey und ihre Kinder Emilia und Lukas kommen hinzu. Auch diese Beiden haben Spaß am Teig rühren, über die Schulter gucken und beim späteren Schaben der Spätzle. Ursel und Janus stoßen irgendwann hinzu und kaum ist Shabnam von ihrem Termin zurück, stehen die zusätzlich mit Käse überbackenen Auflaufformen dampfend auf dem Tisch. 



Danach macht sich ein komatöser Zustand bei allen breit und wir verteilen uns auf Teppiche, Sofas oder Betten. Shabnam ruht sich nicht aus, sie möchte uns die nächste Wohltat zukommen lassen und backt einen Kuchen für den Nachmittag, obwohl an Essen gerade so gar nicht zu denken ist. Egal, der Kuchen mit Möhren, Walnüssen und Äpfeln kommt dennoch super an und im Anschluss lauschen wir noch einem ganz herausragenden Konzert, welches uns Audrey auf ihrer Geige gibt. Das unfassbare daran ist, dass sie erst vor 2 Jahren entschieden hat, sich das Geigespielen beizubringen und seither täglich eine Stunde übt...das Resultat lässt einen mit offenem Mund zurück, ich denke niemand in der Runde hätte gedacht, dass ein so komplexes Instrument in so einem Zeitraum so beherrscht werden kann. Chapeau Audrey!



Den darauffolgenden Tag schlendern wir ein wenig umher, erkunden den nahegelegenen Laleh Park und lassen uns in Teheran treiben.










Am nächsten Morgen dann die Überraschung: Janus und Ursel haben das Turkmenistan Visum bewilligt bekommen! Die Beiden packen in Windeseile zusammen und wir nehmen Abschied (wahrscheinlich eh wieder nur auf Zeit). Vollkommen verblüfft waren wir alle, es hatte wohl keiner mehr damit gerechnet, nachdem alle Anfragen nichtssagend blieben und keine Auskunft erteilt wurde. Valentin und ich, die auch immer noch keine Email bekommen haben und deren beantragter Reisezeitraum schon abgelaufen ist, beschließen direkt am nächsten Tag einen neuen Antrag in Teheran zu stellen. Also machen wir mal wieder einen Office Tag, kopieren, drucken und füllen Formulare aus, was das Zeug hält und fahren am nächsten Tag gen Norden. An der Botschaft angekommen, stehen wir dann mit ungläubigen Blicken vor dem Konsul nachdem er nach Aschgabat telefoniert hat: „Ihr Visum ist bewilligt, hier ihre Referenznummer. Sie können sich das Visum jederzeit in Mashad abholen“. Achso. So „Einfach“? Nach kurzem Erklärversuch, dass diese Pässe derzeit für ein Russlandvisum abkömmlich sind, wird die Szene Kafkaesk...“Kein Problem. Kommen sie einfach mit ihren Pässen wenn sie sie haben! Dann geben wir ihnen das Visum.“ Achso...jetzt können wir auch noch den Einreisezeitpunkt beliebig wählen?! Praktisch! Nach unserer Erfahrung auf der Botschaft in Abu Dhabi, der ewigen Nicht-Auskunft über unseren Status und allem was man bezüglich des Turkmenistan Visums im Netz liest, staunen wir nicht schlecht, beschweren uns aber natürlich nicht. An der Stelle ist dann eher wieder ein Freudentänzchen fällig. Wir verbringen noch ein paar Tage im Norden, schmausen leckere Falafel und bummeln über den alten Tajrish Basar und fahren weiter zum Taleghani Forest Park, wo wir alle vorhandenen Trainingsgeräte ausprobieren und umher schlendern. Ein iranisches Phänomen scheint nämlich zu sein: Das es dem jeweils anderen Geschlecht verboten ist, jemandem beim Sport zuzusehen (siehe Stadionverbot für Frauen etc.) aber in jeder noch so kleinen Parkanlage öffentliche Trainingsgeräte stehen, die sowohl von Männern als auch von Frauen benutzt werden.


Wir werden in den nächsten Tagen sehen, ob die Möglichkeit, gemeinsam Sport zu machen auch für die Teheraner Kletterhalle gilt...

...und sie gilt natürlich nicht. Enttäuscht ziehen wir unverrichteter Dinge wieder ab und fahren zurück zu unserem Parkplatz am Park. Dort ist mittlerweile die französische Familie von PLEM` Mobile (plemmobiles.com) angekommen. Miguel, Elodie, Lola und Pablo haben wir bereits in Sharjah am Aquarium kennengelernt und die Vier sind auch schon Shabnam bekannt. So lädt sie die große Runde für den nächsten Tag zum Mittagessen ein und mal wieder verbringen wir einen köstlichen Tag bei Shabnam und werden noch in Kalligraphie und Santur unterrichtet. Alleine für den Namen „Heidi“ scheint es mindestens drei Schreibweisen zu geben.







Die Familie Plem`Mobile und die Familie Iran is Great möchten sich ebenfalls bei Shabnam für das Essen revanchieren und so sitzen wir 24 Stunden später wieder bei ihr zu leckerem Kartoffelgratin und Erdbeertiramisu. Dazugestoßen sind bis dahin noch Jürgen und Ingrid, die ihr Rentnerdasein im Unimog genießen und die wir ebenfalls in den Emiraten schon getroffen hatten. 


 
Für den folgenden Tag verabreden wir uns wieder...Shabnam hatte vorgeschlagen das Museum über den Iran-Iraq Krieg zu besichtigen und wir sind alle interessiert.
Hierzu muss man sagen, dass die Iraner_innen großen Wert darauf legen, nicht von einem „Kriegsmuseum“ zu reden, da der Iraq damals mit Hilfe der USA (die zu dem Zeitpunkt noch Sadam Hussein unterstützten) einen Territorialen Krieg begann, weshalb sie selbst von einem „Museum of Holy Defense“ sprechen. Dabei setzt die Geschichte bereits zur Herrschaft des Schahs an, noch vor der Revolution, um den Zeitgeist, der in den Krieg mündete abzubilden. Die Bilder, welche die Schreckensherrschaft des Schahs gegen Oppositionelle zeigen sind drastisch, gleichwohl kann man Ähnliche bis Gleiche wohl auch im heutigen Regime vorfinden. 


Was definitiv deutlich wird: der Iran und dessen Bevölkerung ist bereits seit Jahrzehnten der Unterdrückung ausgesetzt und während Shabnam mit einer Haltung der Normalität durch das Museum schreitet, müssen wir nicht selten tief durchatmen...die Bilder gehen unter die Haut! 



Die medialen Methoden hierzu sind klug gewählt, die Informationsweitergabe geschieht nicht nur auf Sachlicher sondern auch auf Emotionaler und identifikatorischer Ebene. Man läuft durch realistisch nachgebaute zerbombte Dörfer, sieht Videoaufnahmen nach Giftgasangriffen und steht plötzlich in einem Klassenzimmer, dass in Schutt und Asche liegt. 


In einem der Räume lässt eine Leinwand, auf der alltägliche Szenen des iranischen Lebens gezeigt werden, einen die Perspektive einnehmen, als wäre man gerade genau dort...dann eine Lautsprecherdurchsage und alle beginnen zu rennen...Sekunden später donnern Flugzeuge über unsere Köpfe und die Bomben fallen...als sich der Staub lichtet, liegen leblose Menschen vor einem. Es sind Bilder die man, wenn man Krieg nur als Wort ohne reale Semantik kennengelernt hat, schwer verdauen kann. Und es sind Bilder, die das Leid der iranische Bevölkerung in ihrer Dramatik offenbart. Ebenso deutlich wird, weshalb es radikale Mullahs unter diesen Umständen leicht haben, durch Folter, Exekutionen und Repression ein Klima der Angst aufrecht zu erhalten und sich als Alternativlos zu inszenieren. Und es wird deutlich, dass die Skepsis gegenüber dem Westen und insbesondere der USA eine lange, nachvollziehbare Geschichte hat!


Sicherlich sind einige der Darstellungen in dieser Kultureinrichtung einseitig, dennoch sorgt sie für eine gehörige Portion Empathie und Fassungslosigkeit und lässt einen angesichts der derzeitigen Lage mit „Präsident“ aka Kleinkind-Trump noch ungläubiger den Kopf schütteln.
Muss man sich von westlichen Staaten denn ausbeuten lassen, um als iranisches Volk eine Daseinsberechtigung zu haben?





Am darauffolgenden Tag schreibt uns Shabnam, dass unser Paket mit den Ersatzteilen für den Roten endlich eingetroffen ist. Perfekt! Denn die Pässe mit unserem Russlandvisum sollen wir auch am Abend erhalten, wenn wir Valentins Ex-Kollegen in seinem Hotel antreffen.
Dort sitzen wir dann auch abends und vertilgen persische Pizza mit drei von Valentins ehemaligen Kollegen.


Als wir spät abends mit der Taxi App „Snapp“ vom Norden wieder ins Zentrum von Teheran düsen, müssen wir uns noch einer Diskussion mit dem Fahrer liefern denn, er will kein Geld von uns haben! Wie es im Ta`arof üblich ist intervenieren wir mehrfach aber hören selbst nach dem achten Mal immer noch „Naaa! Welcome to Iran!!!“.

Nach einer Mütze Schlaf machen wir uns auf in den Süden zu einer Werkstatt, die in der iOverlander App empfohlen wurde.
Dort angelangt lernen wir Ben kennen, der mit seinem Nissan gerade aus Indien zurückreist und ebenfalls das ein oder andere von dem Familienbetrieb Sarpoolaki hat schrauben lassen (sarpoolakigroup.com/ oder auf Facebook Sarpoolaki Group 4x4). Der Vater als auch der Sohn sind bekannt in der Racingszene Iran und machen in ihrer Werkstatt alles was man sich nur vorstellen kann. Chassis, Karosserien, Allrad Modifikationen, komplette Umbauten auf Allrad und und und. Vater und Sohn sind dabei ein gutes und vor allem leidenschaftliches Gespann, dass die Werkstatt jedem Urlaub vorzieht und so wird man direkt herzlich in die Familie aufgenommen, wenn man auf ihrem Hof steht. Die Werkstatt ist WIRKLICH zu empfehlen, die beiden sind ausgesprochenen Koryphäen und hier:
GPS 35.66183, 51.45418 zu finden. 

 
Drei Tage verbringen wir mit den neugewonnenen Freunden, staunen darüber, wie sie nicht erhältliche Teile einfach aus einem Block Aluminium für uns anfertigen und sehen ihnen immer wieder zu, wie sie den Kopf schütteln über die Arbeiten, die wir in den Emiraten und im Oman haben verrichten lassen. 



Abends sitzen wir bei leckerem iranischen Essen und Selbstgebranntem beisammen bis spät in die Nacht. Ebenso an dem Abend, an dem Trump die Aufkündigung des Iranabkommens verkündet...weshalb wir erst einmal betroffen und schweigend dasitzen, während Vater und Sohn darüber debattieren, ob nun ein Krieg ansteht und dass ihre Währung, der Rial/Toman, derzeit nichts mehr Wert ist. Man hat unweigerlich die Videoaufnahmen aus dem Museum im Kopf und wir sind betroffen...ob wir nun hier sind oder nicht, wir wollen uns nicht vorstellen, dass Bomben auf diese liebgewonnenen Menschen regnen! 




 

Nun sind wir wieder „On the Road“ holen morgen unser Turkmenistan Visum auf der Botschaft ab und machen Kilometer...es geht endlich auf nach Zentralasien!!!!






PS: Wir haben ein Interview über unseren Roten gegeben, dass hier: 


erschienen ist. Wer alle Eckdaten zu unserem rollenden Zuhause nachlesen mag oder wissen möchte, wie Valentin zu ihm gekommen ist, erfährt hier alles :)

Kommentare

  1. Hi you two!
    We are very happy to have met you and hitchhiked your super van! We found people in the street the last night and we ended up sleeping in a rock music studio!
    Hope you are fine, and maybe see you on the way! You can contact us on whatsapp with the number we gave you. Drive safe, Julien & Margaux

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