Russland 1

BARNAUL – Nix gemacht außer Wäsche


Die Grenze nach Russland ist schnell passiert und das Land empfängt uns mit allem, was wir erwartet haben: Super Asphalt und Birkenwälder. So verbringen wir unsere erste Nacht auch direkt zwischen den weißen Stämmen und mit einer geballten Ladung Moskitos die um einen herum schwirren sobald man draußen steht. Auch das hatten wir von Russland erwartet...viele, viele Stechmücken. Aber auch ohne die saugenden Biester sollte man in Russland nicht unbeschwert durch hohes Gras streunern, denn auch Zecken gibt es hier zuhauf und die Warnschilder sieht man immer mal wieder am Straßenrand. 

 
Aber das macht nichts, wir steuern eh erst einmal eine asphaltierte Betonanhäufung in Form einer Stadt an. Barnaul heißt unser erstes Ziel. Von der Stadt selbst bekommen wir leider wenig mit, dafür kennen wir nun sämtliche Waschmaschinen Funktionen auf Kyrillisch. Wir bleiben nur eine Nacht vor einem Hostel in einem der charmanten alten Holzhäuser, welche die gesamte Straße säumen und erledigen was zu erledigen ist. Schreiben, hochladen, waschen, duschen, Wäsche aufhängen, Lebensmittel einkaufen, Wasser Kanister befüllen...Alltag eben. Und Tschüss Barnaul! 


 




ALTAY GEBIRGE – Ein bisschen Allgäufeeling


Wir wollen keine Zeit in den Städten vertrödeln, der August steht vor der Tür, die Mongolei wartet und einfach so durchrauschen durch die Altay Region wollen wir auch nicht...schließlich gibt es hier einige Möglichkeiten zu klettern! Landschaftlich sind wir schnell entzückt, hier sieht es aus wie im Allgäu oder in Österreich, schon bald haben wir nicht mehr den Eindruck in der Ferne zu sein, sondern direkt vor der Haustür.




Nachdem wir einen kurzen Plausch mit einer russischen Backpackerin gehalten haben, die wir ein Stückchen mitnehmen konnten, finden wir recht schnell einen wunderschönen Schlafplatz am Fluss.




CHECH KYSH Чеч-Кьιш – Ist das der Katun oder der Inn?



Der Fluss ist eisig frisch als wir uns hineinstürzen und er erinnert unweigerlich an den schönen Inn in Tirol. Am Abend noch stellen wir uns freundlich unserem neuen Nachbarn vor, der die nächsten Tage immer wieder mit seinen Familienmitgliedern um den Roten streunt und sich über die Schnittreste unseres Kohlsalates freut :)


Am nächsten Tag machen wir uns auf in die Berge, der Zustieg zum Kletterfels scheint ein beliebtes Wandergebiet für RussInnen zu sein und so sind wir kurz verdutzt, als wir an einem Holztor Eintritt zahlen sollen, die 50 Rubel pro Person sind allerdings verkraftbar und die Landschaft sehenswert. Abzweigend von den Hauptpfaden geht es dann zum ersten Sektor in welchem wir klettern und der eigentlich ganztägig (lt. App) im Schatten liegen sollte. Zumindest deuteten wir den Vermerk „All Day“ neben dem Sonnensymbol so, doch merken wir schnell, dass es hierbei eher um den Hinweis geht, dass die Sonne ganztägig erbarmungslos das Hirn brät. Wir wechseln also zu einem anderen Sektor, direkt an einem Bachlauf, an welchem man sich fantastisch die Füße kühlen kann, während des Sicherns. GPS 51.2665000, 86.07530000







Wir verleben noch einen Ruhetag am idyllischen Kartun mit kurzen Erfrischungen im Wasser, lesen und Mountainbiken und machen uns dann wieder auf Richtung Hauptstraße und mongolische Grenze...auf dem Weg liegt ja nochmal was zu klettern.







JALOMAN Яломан – In Gedenken an eine kurze Bekanntschaft


Noch bevor wir den Kletterfels Jaloman erreichen, haben wir wieder Handyempfang und das gewohnte vibrieren der eingehenden Nachrichten stellt sich ein. Dort ahnen wir noch nicht, was sich in unserer Offline Zeit ereignet hat. Als wir unsere Nachrichten lesen ist darunter ein Link zu einem Bericht der Tagesschau. Es hat einen Anschlag auf Radreisende in Tadjikistan gegeben, vier Menschen mussten dabei ihr Leben lassen, zwei sind verletzt und nur eine Person kam unversehrt davon. Uns wird beim lesen anders. Overlanderfreunde die wir kennen sind gerade auf der Pamirroute unterwegs und wir leiten den Artikel sogleich weiter an zwei Radreisende, mit denen wir uns immer wieder in Tadjikistan und später Kirgisistan getroffen hatten. Wir sind fassungslos, können uns das Szenario in dieser Kulisse nicht vorstellen, wo uns dort alle so freundlich begegnet sind, die Pamiri herzlich winkend von ihrer Feldarbeit aufstanden, um uns im Vorbeifahren anzustrahlen. Tadjikistan ist mit Abstand das ärmste unserer bereisten Länder gewesen. In vielen Dörfern hat man Hinweisschilder finden können, dass dort die Welthungerhilfe Unterstützung leistet, nichts desto trotz haben wir uns überall und zu jeder Zeit Willkommen gefühlt, haben keine Korruption erlebt, sind nicht angebettelt worden (obwohl es ihr gutes Recht gewesen wäre dies zu tun!), oder hatten den Eindruck unfaire Preise für die wenigen erhältnichen Lebensmittel zu bezahlen. Lediglich nach einem Kugelschreiber sind wir von Soldaten gefragt worden, weil diese keinen funktionierenden Stift mehr hatten, um uns an einem der zahlreichen Militärcheckpoints zu registrieren. Auch die Nähe zu Afghanistan haben wir zu keinem Zeitpunkt als Bedrohung empfunden. Umso heftiger sitzt der Schock, umso größer ist die Fassungslosigkeit.
Wenige Minuten später vibriert das Handy erneut...unsere Radfreunde antworten und unsere Betroffenheit wächst, das amerikanische Pärchen, welches das Attentat nicht überlebt hat, haben wir alle gemeinsam in Osch kennengelernt und dort zwei Tage mit ihnen in einem Hostel verbracht.
Das sitzt. Man geht in Gedanken nochmal alle Gespräche durch, erinnert sich der immensen Begeisterung und Lebensfreude, die man bei Ihr deutlich heraushörte und das macht sprachlos. Es wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis wir das gänzlich verdaut haben.
Unsere Gedanke sind bei den Angehörigen und den Überlebenden, die derzeit etwas durchmachen müssen, was man selbst nur erahnen kann. 

 
Der IS hat sich bereits zu der Tat bekannt und so ist es uns auch ein Anliegen in aller Deutlichkeit zu sagen, dass sie nicht nur eine Gruppe westlicher Touristen angegriffen haben, sondern auch allen TadjikInnen/Pamiri, eine Chance genommen haben aus der Armut zu kommen, oder diese zumindest deutlich verringert haben, um die Hoffnungslosigkeit keimen zu lassen.
Das Klettern rückt deshalb etwas in den Hintergrund.
Hier die GPS Koordinaten 50.5108260, 86.5632790 des Gebiets. 
 



Schon geht es raus aus Russland und hinein in die Mongolei...verabschiedet werden wir von der wunderschönen Bergkette des Belugha Gletschers, den wir in der Ferne erahnen.


Es ist ein Abschied auf Zeit, nach der Mongolei werden wir noch viele Kilometer in Russland verbringen. 

 

Kommentare

  1. Liebe Heidi, lieber Valentin, euer Bericht über den ersten Teil eurer Reise durch Russland ist sehr interessant und die Fotos, wie immer, wunderbar!
    Ihr könnt euch sicher vorstellen, was der Bericht über die Ermordung der Reisenden in Tadjikistan bei uns Eltern ausgelöst hat, abgesehen vom Mitgefühl mit den abenteuerlustigen, jungen Leuten, zum einen Angst um euch, zum anderen die Freude, dass ihr bisher so gut durchgekommen seid. Wir wünschen euch weiterhin alles Gute, freuen uns über jedes Lebenszeichen von euch und vor allem auf unser Wiedersehen im Herbst!
    Liebste Grüße von Karl und Aki

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    1. Liebe Aki, lieber Karl, die Ermordung der Radfahrer ist in der Tat tragisch.
      Doch von so etwas sollte man sich nicht beim Reisen einschränken lassen. Zum einen kann man auch auf dem Weihnachtsmarkt Opfer eines solchen Attentäters werden und zum anderen geht es hier nur um eine gefühlte Unsicherheit. Die Wahrscheinlichkeit Opfer einer solchen Tat zu werden ist zum Glück verschwindent gering.
      Liebe Grüße aus Ulan Bator, Heidi und Valentin

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