GORI
& MZCHETA – Regentage
Wie
immer fällt das Schicksal lachend vom Stuhl, sobald man seine Pläne
gemacht hat...denn aus unserem Plan, nach Kazbek / Arsha zu fahren,
um zu klettern, wurde selbstverständlich nichts. Der Regen und der
Wind setzten bereits in Chiatura über Nacht so heftig ein, dass uns
schon klar war, dass selbst vor Ort in den Überhängen am nächsten
Tag nichts Trockenes zu klettern sein würde. Und die Gespräche mit
Einheimischen bestätigten uns die Annahme, dass es etwas zu frisch
in Arsha werden könnte...am Kazbegi hatte es bereits geschneit!
Da
Regentage auch immer irgendwie Museumstage sind, konnte ich Valentin
überreden, nach Gori zu fahren. Die Geburtstadt Stalins, und das ihm
gewidmete Museum, weckten die Neugierde darauf, wie Geschichte
ausgelegt werden kann.
Leider erreichten wir den Ort erst am sehr
späten Nachmittag, sodass wir nur mit viel Glück noch einer
englischsprachigen Führung hinterher sprinten konnten...der letzten
für diesen Tag. Die junge Dame trug in gelangweilter Erwartung auf
den Feierabend und in einem monotonen Rhythmus die Auswendig
gelernten Daten vor, alle bestaunten Gemälde, Dokumente die Stalin
unterzeichnet hatte und Geschenke der unterschiedlichsten Nationen zu
seinem 70. Geburtstag.
Leider war in dem Museum alles in Buchstaben
des russischen oder des georgischen Alphabets dokumentiert, sodass
einem wenig Chance blieb, sich mit den ausgestellten Objekte genauer
zu befassen. Als wir an seiner Totenmaske vorbei in einen Saal
schritten, indem persönliche Gegenstände in Vitrinen dargeboten
wurden, stellte ein Besucher einer Frage zu dem dort befindlichen
Schachbrett...“Was Stalin a good chess player?“ Ich musste
heimlich schmunzeln, war das eine rethorische Frage? Hatte die Dame
von höchstens 30 Jahren etwa schon eine Partie Schach mit ihm
gespielt? Ihr Gesichtsausdruck hellte zum ersten Mal auf...“OF
COURSE! He was a great chess player!“...mein Schmunzeln verwandelte
sich in Grinsen...“OF COURSE!“ dachte ich, „und wenn nicht,
hätte sich sicherlich niemand getraut ihm zu sagen, dass er
stümperhaft die Figuren über das Brett zog, weil er oder sie die
Konsequenzen fürchtete!“ Aber wer mag das schon zu
beurteilen...nach so langer Zeit?!
Nachdem
wir noch im Regen durch den Zugwagon von ihm schlenderten und sein
„Geburtshaus“ im Museumshof bestaunten, schlossen die Pforten und
wir waren uns einig...irgendwo zwischen dem, was wir gelernt haben
und dem, was hier in Gori überliefert wird, liegt vielleicht die
wahre Geschichte?!
Wir
fuhren los Richtung Tiflis und bald brach die Dunkelheit ein. Unsere
Suche nach LPG, um den Bus nochmal zu betanken, wurde zur Nadel im
CNG-Heuhaufen und so beschlossen wir, uns einen Schlafplatz zu
suchen.
Es
tat sich zu unserer Linken eine große Ruine auf einem Hügel auf,
unsere Offline Navigation verriet uns, dass eine Straße zu einem
ruhigen Platz unterhalb führt und so fanden wir bald in den Schlaf.
Am nächsten Morgen erst erkannten wir, von was wir umgeben
waren...ein altes Amphitheater umschloss den Bus und noch bevor der
Kaffee gekocht und das Müsli gefrühstückt war machten wir
Bekanntschaft mit einem netten älteren Paar, welches mit ihrem VW
Camper unterwegs war und sich in der Nacht noch zu uns gesellt
hatten.Ich kann mir nicht helfen, bei so viel Muttersprache in all
den bereisten Ländern kommt mir immer wieder ein Lied von Marc-Uwe
Kling in den Kopf, über „deutsche Touristen“. Die beiden
jedenfalls waren bereits auf ihrer Rückreise, gaben uns
freundlicherweise ein paar Tipps zu Armenien und Valentin
fachsimpelte mit Ihm ein wenig über unser Solarpaneel und die
Anschlussmöglichkeit. Eine wirklich nette Begegnung, aber das sind
solche, mit denen man nicht rechnet ja meist. Wir schlenderten,
nachdem wir uns verabschiedet und gefrühstückt hatten, noch über
die verlassenen Anlage, begutachteten einstürzende Ställe und
entdeckten unter einer der runden Steinbühnen(?) eine
Schreinerwerkstatt. Die Männer bauten hier Möbel erklärten sie
uns. Der Himmel blieb auch nach unserer Schlenderei weiter Grau und
so fuhren wir los...gen Tiflis.
TIFLIS
– Schnitzeljagd und Touristenviertel
Auf
der bereits oben genannten Homepage für Klettern in Georgien (siehe
Beitrag CHIATURA) fanden wir Informationen über Möglichkeiten zum
Indoorklettern. Wir fuhren die erst vor zwei Jahren eröffnete
Kletterhalle in einem Sportkomplex an. Die Wand erschien auf den
Fotos online etwas größer als sie Tatsächlich ist, die Griffe und
Wände sind für den Zeitraum erstaunlich speckig ABER die Routen an
sich sind sehr schön geschraubt, die Jungs die dort arbeiten stehen
gerne für Empfehlungen zur Verfügung und es gibt sogar noch einen
kleinen Boulderbereich. Obwohl die limitierte Wandhöhe nicht gerade
ausdauernde Routen zur Verfügung stellt, haben die Jungs es dennoch
gut raus, knackiges zu Schrauben und technisch anspruchsvolle Züge
auf den wenigen Metern zu etablieren. Für lediglich 10 Lari Eintritt
stimmt das Preis Leistungsverhältnis also allemal und wir kamen
trotz Regenwolken zu unserer Kraxelei.
Die
ebenfalls auf der Homepage beworbene Boulderhalle vom georgischen
Alp Club ist derzeit leider geschlossen, unser Versuch am nächsten
Tag bouldern zu gehen, endete leider vor verschlossener Tür.
So
verbrachten wir Tag 2 in Tiflis wie viele andere Touristen und liefen
von Straße zu Straße und Gasse zu Gasse bis hinunter zum Fluss und
das beliebte „Kala“ Viertel. Tiflis ist voll von alten
Prunkbauten, welche leider viel zu häufig durch Stahlträger
abgestützt werden, um sie trotz grobschlächtiger Risse und
Schieflage vor dem Einsturz zu bewahren.
Nicht so im Kala
Viertel...zumindest nicht in dessen Zentrum. Hier scheinen große
Investoren am Werk gewesen zu sein, denn die alten Häuschen sind
aufwendig restauriert und zu unzähligen Bars, Hostels und
Souvenirshops umgebaut worden.
Bevor wir das Viertel erreichten,
machten wir noch Stopp an einer der Metrostationen. Hier türmen
Manche alte Bücher auf, um sich ein paar Lari zu verdienen und auch
wir wurden dort fündig; ein Deutsch-Russisches Wörterbuch, um sich
ein paar Vokabeln zur besseren Verständigung aneignen zu können und
ein paar nostalgische Postkarten mit Gelbstich und für uns
unleserlichen Buchstaben, wechselten den Besitzer.
Re-use, reduce,
recycle...irgendwie bringt das Credo überall auf der Welt Freude. So
auch hier. Wir schlendern noch bis in die Dämmerung hinein...dann
nehmen wir die Schnitzeljagd nach LPG erneut auf.
Ja
das tanken mit Gas ist so eine Sache in Georgien...hier gibt es
unheimlich viele CNG Tankstellen und wir sind manchmal nicht
entschlossen genug, wenn wir eine LPG Tankstelle sehen unseren dann
doch irgendwie immer noch halbvollen Tank neu zu befüllen...“In
der nächsten Stadt wird sich schon was finden“ und wenn es dann
soweit ist und die Anzeige weniger Lämpchen leuchten lässt, lässt
sich plötzlich so gar keine LPG-Möglichkeit mehr finden.
Klassischer Fall von Murphies Law? Jedenfalls verbringen wir in
Tiflis die gesamten Tage zwischen unseren Aktivitäten damit,
Tankstellen anzufahren, den Tankwarten unsere Navigation unter die
Nase zu halten und mit „Autogas, Propan / Butan“ nach LPG zu
fragen. Es wird mit den Achseln gezuckt oder einfach die Straße
hinunter gewiesen...die Suche führt dazu, dass wir an einem Abend
komplett quer durch Tiflis fahren...einen Berg hinauf, irgendwo im
nirgendwo und auf einem großen Parkplatz nächtigen wollen. Der
Parkplatz schien zu einer Militärkaserne zu gehören, schnell steht
ein uniformierter junger Mann am Fahrzeug, will uns wohl sagen, dass
wir hier nicht stehen wollen aber ohne Englischkenntnisse auf seiner
Seite und Russischkenntnisse auf unserer Seite wird das schwer. Er
faselt was von Handy und Google und verschwindet...als er nach einer
halben Stunde immer noch nicht zurück ist beginnen wir zu kochen,
essen und legen uns schlafen...bis 6:30 Uhr. Dann klopft es...mit
Händen und Füßen lässt er uns wissen, dass wir nun fahren
müssen...wir spekulieren, dass ein Schichtwechsel ansteht, parken
ein paar Meter weiter zwischen Baumschulen und muckeln uns nochmal in
die Federn.
Wer
eine LPG Tankstelle in Tiflis sucht findet sie hier:
41°43`33.12“N,44°46`48.17“E
Bei
1 Lari/Liter (ca. 35 Cent) lohnt sich auch so mancher Umweg!
POKA
– Wir am Parawanisee...send from God!
Wir
machen uns auf nach Poka. Ebenfalls eine Empfehlung von Freunden, da
es dort ein Kloster geben soll, in dem man als Käseliebhaber auf
seine Kosten kommt...für Valentin steht von Anbeginn fest „Da muss
ich hin!“. Unser Roter müht sich die steilen Serpentinen hoch und
fährt Slalom um die teilweise sehr tiefen und großen Schlaglöcher
herum.
Doch die Landschaft entschädigt, wir haben Kilometerweit nur
Sicht auf Berge, Ziegen- Schaf- und Kuhherden, welche frei über das
Land ziehen, riesige Greifvögel die ihre Schwingen in der immer
dünner werdenden Luft spreizen und ein atemberaubendes Licht-
Schattenspiel, welches die Wolken auf die hügelige grün rötliche
Landschaft zaubern.
Wir kommen am Parawanisee an, auf 2100 m.ü.M.
und versuchen einen Platz nah am See zu erhaschen. Die Abzweigung,
die uns auf dem Navi angezeigt wird führt geradewegs zu einem
kleinen Kloster am See.
Wir werden freundlich empfangen, natürlich
können wir am See stehen, ob wir einen Tee oder Kaffee möchten.
Plötzlich sitzen wir drinnen beim Priester, haben einen Teller Reis
mit Rosinen vor uns, bekommen einen grünen Tee kredenzt und stellen
erstaunt fest, dass der Priester ein paar Brocken deutsch spricht. Er
habe in Deutschland studiert, die Sinnsuche habe ihn allerdings schon
mit 20 zum orthodoxen Glauben gebracht und nun lebt er hier, mit drei
Mönchen und 7 anderen am See. Die Antwort auf die Frage, ob wir
katholisch oder lutheranisch sind, nimmt er mit Gelassenheit hin.
„Philosophie!“ lautet diese und er verkündet erfreut bei der
Haushälterin die ein bisschen Englisch spricht, dass wir keine
Atheisten sind, sondern nur noch nicht gefunden haben...aber suchen!
Und wer sucht wird gefunden von Gott. Er strahlt. Was unsere
Profession ist. Als ich ihm erkläre, was mein Tätigkeitsfeld als
Heilpädagogin umfasst, freut er sich erneut...“Gott hat dich
gesandt! Alle die Gutes tun, sind von Gott gesandt!“ Ich bedanke
mich höflich und nehme es einfach als Kompliment entgegen. Valentin
und der Priester stellen schnell fest, dass sie etwas sehr ähnliches
studiert haben...die Begeisterung für unseren Roten steht dem
bärtigen Mann auch deutlich ins Gesicht geschrieben. Am Abend läutet
die Glocke, es ist Essenszeit. Wir räumen noch unser Geschirr ab,
bedanken und verabschieden uns.
Morgen geht es zu den Nonnen...Käse
naschen!
Der
Morgen startet nass und erstaunlich kalt...das Himmelswasser, dass in
rauen Mengen den Weg Richtung Erde findet ist eiskalt. Nach dem
Frühstück besuchen wir unseren Priester, um Abschied zu nehmen und
noch einen Kaffee mit ihm zu trinken. Wir unterhalten uns über die
Unterschiede von Orthodoxen und anderen Christen und, dass das eh
alles egal ist, weil unsere Herzen alle gleich schlagen. Recht hat er
da! Er lädt uns ein, noch etwas zu bleiben, zum Abendessen oder wie
lange auch immer aber für uns muss es weiter gehen, es wird
empfindlich kalt und auf den Gipfeln der Berge in der Ferne sieht man
bereits den Schnee zwischen den Regenwolken und dem Nebel.
Wir
fahren nach Poka hinein. Es schüttet in Strömen und da uns der
Priester erklärt hatte, dass die Nonnen nach europäischem Vorbild
Käse produzieren und ihn sehr sehr teuer für Touristen verkaufen,
gehen wir in einen kleinen Laden im Dorf, um das Nötigste zu
besorgen. Käse liegt dort leider keiner aus...wir fragen nach und
der Shopbesitzer beginnt zu strahlen und weißt uns, ihm zu folgen.
Wir laufen bis zu seiner Garage...als wir sie betreten riecht es
schon verdächtig nach dem begehrten Produkt und hinter zwei
Fahrzeugen steht ein großes Becken in dem riesige Laiber Käse
schwimmen. Er fischt mit einem Messer nach einem kleineren Stück,
lässt uns probieren und wir nicken. Doch noch zu leckerem Käse
gekommen, gilt es nur noch die Wasserkanister am Wegrand zu befüllen,
schon nach kurzer Zeit werden die Finger rot und schmerzen vor Kälte.
Dann brechen wir auf, in das nur noch 50 km entfernte Armenien, wo
wir noch am selben Tag einreisen.
Supergeil wieder, euer Bericht! Und die Investition ins neue Kameraequipment hat sich gelohnt, wunderschöne Bilder. :-)
AntwortenLöschenJa, wir sind auch immer wieder geflasht, was für Bilder so entstehen...zumal wir sie null bearbeiten und sie tatsächlich zeigen, was unsere Augen auch wahrnehmen durften.
LöschenOh ja, da kann ich mich nur anschließen. Es macht große Freude, euch vom ersten Tag an begleiten zu können. Hier ist es auch kalt. Ich esse aber dennoch ein Eis, ein Magnum, genaugenommen. Ihr wisst wieso:). Der Froster ist noch voll. Alles Liebe!
AntwortenLöschenHahaha, ja wir wissen wieso :D dann lasst es euch mal weiterhin schmecken!
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